Was für eine Tour! Gefühlstechnisch war es die reinste Achterbahnfahrt und ab und zu dachte ich: was mache ich hier eigentlich? Warum sitze ich nicht einfach in Thailand am Strand mit einem Mojito in der einen und einem Buch in der anderen Hand? Es könnte so einfach sein. Aber einfach kann man immer und einfach kann ich auch noch mit 60. Jetzt will ich Abenteuer!
Klingt, als ob ich Euch gleich von DER Survival Expedition erzähle, oder? Nein, so krass war es nicht, aber ich muss sagen, es war wirklich eine sehr spannende Reise mit vielen Höhen und Tiefen. Dabei fing alles recht gediegen an.
England war unser erstes Ziel. Was hatte ich für dieses Land für große Erwartungen! Kennt Ihr den Film “The Holiday?” Genau so stellte ich mir unsere kommende Reise vor. Gemütliche Cottages, wilde Landschaften, rauhes Wetter und warmen Tee.
Naja, wie das oft so ist, wenn man zu hohe Erwartungen hat, wird man enttäuscht. Ich war wirklich ein bisschen traurig, dass es gar nicht so war, wie erhofft. Ok, landschaftlich waren schon ein paar Highlights dabei, aber die ständigen Wohnmobilverbote, die engen Straßen und die vielen Hecken waren tierisch nervig und anstrengend. Kein Wunder, dass die britischen Camper alle im Ausland unterwegs sind.
Einzig die Pubs, an denen man auch übernachten durfte, waren durchweg toll. Guter Gin Tonic, sehr gutes Essen und endlich ein bisschen von meiner erhofften Gemütlichkeit.
Mit dem Freistehen taten wir uns in England, Wales und oft auch in Schottland schwer. Lag es daran, dass wir die Schilder beachteten? Missachten andere Camper einfach die Verbote? Zumindest für die stürmische Silvesternacht hatten wir einen genialen Platz in rauer Landschaft – das hatte wirklich was.
Ein paar gemütliche Spaziergänge waren auch drin. So wie durch diesen Schlossgarten hier – das war schön.
Trotzdem waren es nur wenige Highlights, die uns hier bei Laune hielten, ansonsten fuhren wir stetig weiter Richtung Norden, in der Hoffnung, es würde besser werden.
Im “Freistehparadies” Schottland (meiner Meinung ist der Titel absolut unverdient) fanden wir den ersten und gefühlt einzigen offiziellen Wohnmobilstellplatz. Hier ruhten wir uns ein paar Tage aus und erkundeten ausgiebig die Umgebung. Meer im Winter hat schon was, Moor eher weniger.
Die Landschaft langweilte uns auf Dauer und nach dem Touristenschock auf der überlaufenen Isle of Skye hopsten rüber nach Irland. Die Dark Hedges waren für mich eines der Highlights. Nicht nur, weil hier Game of Thrones gedreht wurde, diese alten, mystisch wirkenden Bäume waren einfach der Wahnsinn! Umso ärgerlicher, dass so viele Touristen sich hier mit dem Taschenmesser verewigen müssen.
Lange hielt es uns jedoch auch hier nicht fest. Schwer zu sagen, was uns bzw. mir hier nicht gefallen hat. Meine Erwartungen waren sehr hoch, meine Vorstellung ganz anders und diese Campingverbote gehen einem auf Dauer tierisch auf den Keks und man fühlt sich nicht unbedingt willkommen. Die gemütlichen Pubs, die fantastischen, großen Supermärkte und einige Naturhighlights haben es leider nicht rausgerissen, weswegen ich wohl nicht wieder kommen möchte – zumindest nicht mit dem Camper.
Der Süden rief und spontan entschieden wir uns, diese Tour zur Inseltour auszurufen. Also schipperten wir von Irland aufs spanische Festland und düsten von Santander einmal durchs Land nach Barcelona. Hier setzten wir mit der Fähre rüber nach Mallorca und schon die erste Nacht auf dieser Insel war genial. Dass wir hier in Sant Elm das wohl schönste Fleckchen aufgesucht hatten, merkten wir erst später.
Wir genossen das tolle Wetter und die wirklich wunderschöne Insel beim Wandern. Vitamin D tanken tat gerade sehr gut.
Wenn man die touristischen Urlaubsstädte mit den im Winter leer stehenden Hotels und toten Restaurants und Bars mal ausblendet, kann man es hier wunderbar aushalten. Auch wenn die Infrastruktur für Camper quasi nicht vorhanden ist. Mallorca hat vor allem im Sommer abartig viele Touristen, da kann man verstehen, dass man nicht auch noch Campingplätze baut, um noch mehr Touristen anzulocken.
Wir hopsten rüber auf Menorca. Auf der kleinen Balearen Insel gefiel es mir richtig gut. Wir fanden sogar einen offiziellen Wohnmobilstellplatz genau in der Mitte der Insel. So konnte man Menorca wunderbar erkunden. Die Insel befand sich voll im Winterschlaf und um uns Camper kümmerte sich keiner. Hier fühlten wir uns richtig wohl.
Doch wir wollten es ja wissen und deshalb ging es mit einer sehr schaukeligen Fähre zurück aufs spanische Festland, von dort kurz nach Monaco (für den Länderpunkt) und von Nizza nach Korsika. Auf den Fähren gönnten wir uns übrigens gerne eine Kabine. Dort konnten wir gemütlich duschen und Marc konnte in aller Ruhe seinen wellengebeutelten Magen entleeren, während ich meinen mit Gin Tonic füllte.
Leicht gerädert landeten wir also auf Korsika, was bei vielen Campern ja als DIE Trauminsel schlechthin gehandelt wird. Die komischen Geschichten von Steinewerfern und Überfällen waren aber auch noch in meinem Kopf, deswegen hielt sich meine Begeisterung zurück. Wir fühlten uns tatsächlich nicht pudelwohl auf der landschaftlich schönen Insel. Deswegen suchten wir auch bewusst offizielle Plätze zum Übernachten. Wir fanden einen tollen Campingplatz, der im Sommer sicher bumsvoll ist. Jetzt war er einfach paradiesisch und wir hatten den kompletten Platz samt Traumstrand nur für uns.
Allzu lange hielt uns Korsika nicht, weswegen wir auf der nächsten Insel landeten. Sardinien war schnell erreicht und wir freuten uns tierisch auf italienisches Flair und leckeres Essen. Die große Insel befand sich noch voll im Winterschlaf und auch hier standen schon ein paar Campingverbote. Trotz alledem genossen wir Sardinien sehr. Einige Restaurants waren offen und Freistehen war kein Problem.
Sardinien war landschaftlich absolut abwechslungsreich und für mich eine der wenigen Inseln auf dieser Tour, auf die ich nochmal reisen würde mit dem Camper.
An diesem Sandstrand wollte ich es wissen! Nicht nur, wie weit WHATABUS im Sand fahren kann, sondern auch, wann Marc die Scheidung einreicht. Ersteres war schnell klar: nicht weit. Zweiteres dauert wohl doch etwas länger – Glück gehabt!
Malta fehlte noch in unserer Länderstatistik und da wir ja eh gerade so lustig am Inselhopsen waren, nahmen wir die kleine Insel auch noch mit. Mit kurzem Stopp auf Sizilien (Palermo war mal wieder genial!), landeten wir also auf Malta. Meine Erwartungen waren bei Null, zu wenig wusste ich über diese Insel.
Der Linksverkehr war kein Problem, ich war ja in Übung. Doch das Verkehrsaufkommen an sich war auf Malta echt grausam. Man hatte das Gefühl, die Insel ist komplett überbesiedelt und jeder Einwohner fährt drei Autos und zwar gleichzeitig. Wahnsinn, wie lange man hier auf den maltesischen Straßen für zehn Kilometer brauchen kann!
Vom Freistehen her waren Malta und Gozo ein absoluter Traum! Wir fanden so viele tolle Plätze direkt am Meer oder mit Meerblick, dass wir schon überlegen mussten, ob wir einen neuen Platz aufsuchen, am jetzigen stehen bleiben oder zurück auf einen bekannten Platz fahren wollten – mega!
Doch es gab auch viele negative Aspekte. Die Infrastruktur ist nicht vorhanden und das Leitungswasser war wirklich schlecht. Nach einem heftigen Sturm spülte es uns wieder auf Sizilien und wir beschlossen, die Insel nicht groß zu erkunden, sondern mal eine Pause einzulegen. Die Pause dauerte ganze zehn Tage auf ein und demselben Campingplatz und war wirklich nötig. Urlaub vom Reisen quasi, wir hatten aber auch ein paar berufliche Projekte, an die wir uns dringend setzen mussten.
Marc checkte ein paar mögliche Heim- bzw. Weiterfahrrouten aus und wir kamen zum Schluss, diese Tour geht mit Sizilien nicht zu Ende. Wir wollten im April in der Türkei sein und der Weg über Deutschland wäre nicht sinnvoll. Also entschieden wir, über Süditalien nach Griechenland überzusetzen und von dort in die Türkei zu fahren.
Durch Griechenland wollten wir flott durch, eine Gyros Pita musste aber noch sein – lecker!
In Istanbul angekommen, setzte ich mich auch schon in den nächsten Flieger nach Frankfurt. Wir hatten ein paar berufliche Termine, die ich wahrnehmen musste und ich nutzte die Zeit, meine Familie zu besuchen. Ich muss zugeben, ich litt unter Heimweh und die zwei Wochen in der Heimat luden meine Akkus wieder voll auf.
Mit frischer Frisur und deutschem Schwarzbrot im Gepäck flog ich zurück zu Marc, der mich in Antalya aufsammelte und wir fuhren nach Ostanatolien. Ich war echt aufgeregt und auch ein bisschen nervös, was uns dort erwarten sollte. Angst vor Festnahmen oder sonstigen Problemen mit der Polizei hatte ich keine. Es war einfach ein flaues Gefühl. Vielleicht war das auch schuld an meinem Magen-Darm-Infekt, mit dem ich mich die ersten Tage in der Türkei quälte.
Da ich aber wusste und mich auch total freute, dass es im Osten so viel geniale Sachen zu sehen gab und ich unbedingt auf den Nemrut Dagi hoch wollte, überwogen die Argumente für die Fahrt in den Osten der Türkei.
In Gaziantep gefiel es mir auf Anhieb super. Die Atmosphäre der Millionenstadt war toll, die Menschen sehr angenehm und nicht aufdringlich und das Unesco-prämierte Essen war extrem lecker. Endlich mal was anderes als Grillgerichte und Pide. Allerdings kann ich dank Gaziantep, was weltweit bekannt für sein Baklava ist, kein Baklava mit Pistazien mehr essen – das war einfach zu viel des Guten.
Mein nächstes Highlight ließ nicht lange auf sich warten – der Nemrut Dagi. Ein über 2.000 m hoher Berg mit Steinfiguren auf dem Gipfel, die ursprünglich 8 bis 10 m hoch waren – einfach nur wow!
Wegen Unwetter, Erdbeben, aber auch dank rücksichtsloser Touristen, fielen die Köpfe nach und nach von den Figuren runter. Spektakulär war es hier oben auf alle Fälle – ob mittags oder am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang – ein unvergessliches Erlebnis!
Urfa war eine Stadt, die mich erschlagen hat. Nicht nur mit einem heftigen Sonnenstich, der mir die Nacht auf dem Museumsparkplatz mitten in der Metropole schwer machte. Die ganze Atmosphäre war irgendwie anders. Was nicht heißen soll, dass ich es hier doof fand. Es war einfach anders. Mir fiel immer mehr auf, dass wir so langsam die einzigen westlichen Touristen waren, die arbeitenden und bettelnden Kinder wurden mehr und irgendwie war das hier eine ganz andere Türkei als die, die wir bisher kannten.
Die Polizei- und vor allem Militärpräsenz nahm auch immer mehr zu. Kontrolliert wurden wir nicht unbedingt öfter, aber man beäugte uns etwas misstrauischer. Man wollte den Einreisestempel in unserem Pass sehen, wissen, wo wir schon waren, wo wir hinwollen und was wir hier überhaupt machen. Unsere Antworten besänftigte zwar, aber ein komischen Beigeschmack hat es bei mir trotzdem hinterlassen. Wir taten uns auch schwer mit dem Freistehen. An Ausgrabungen oder historischen Stätten war es verboten – aus Angst vor Schatzräubern. Wir wollten uns auch nicht einfach in die Pampa stellen und den Eindruck erwecken, dass wir uns verstecken wollen. Deswegen gingen wir immer auf Nummer sicher und fragten nach, ob wir an unserem gewählten Nachtplatz stehen bleiben dürften. Oft wurden wir ein paar Meter weiter geschickt, oder es wurde telefoniert und dann abgesegnet. Wir fühlten uns so auf jeden Fall sicherer, als wenn wir das nicht gemacht hätten. All das machte das Reisen an sich aber einfach etwas anstrengender als sonst.
Wir fuhren immer weiter Richtung Osten und wir fielen überall sofort auf, was auf Dauer anstrengend und manchmal auch nervig war. So viel Tee und Fleischspieße konnten wir gar nicht zu uns nehmen, wie uns ständig und überall angeboten wurde. Dass die Gastfreundschaft noch zunehmen kann und einen irgendwann erschlägt, hätte ich nie gedacht.
Wie zuvor von mir erwartet, hat der Osten kulturell richtig viel zu bieten! Es gibt so viel tolles anzuschauen und zu bestaunen, dass einem die Adjektive schnell ausgehen.
Und der ewige Kampf gegen die unzähligen unnötigen Plastiktüten ging auch hier weiter. Wir freuten uns jedesmal, wenn wir einen Einkauf ohne auch nur eine Tüte geschafft hatten.
In der Gegend rund um den Vansee fühlte man sich wie in einem anderen Land. Die Türkei ist wirklich riesig und absolut abwechslungsreich. Ich hätte im Osten keine modernen Malls mehr erwartet (warum auch immer), aber weit gefehlt. Gerade die größeren Städte haben alle ein Einkaufszentrum mit den bekannten Marken. Die Menschen laufen auch hier mit oder ohne Kopftuch durch die Straßen und die jungen Menschen sind genauso modern gekleidet wie im Westen. Doch die Armut in den ländlichen Gebieten fällt deutlich auf und die bettelnden Kinder waren unangenehm. Ein Stein ist uns glücklicherweise nie nach geworfen worden. Aber wenn dir drei Halbstarke entgegen laufen und auch noch ein paar Meter hinter dir mit der Forderung “Money, money!”, hat man ein ungutes Gefühl.
Doğubayazıt und Ani waren unsere östlichsten Punkte in der Türkei und so schön bzw. eindrucksvoll hier auch wieder die kulturellen Schätze waren, war ich doch froh, dass wir langsam aber sicher wieder Richtung Westen bwz. Schwarzmeerküste fuhren.
Einfach nicht mehr sofort auffallen und einfach ein “normaler” Tourist sein, das kam mir zu dem Zeitpunkt sehr gelegen. An meinem Geburtstag waren wir in der Gegend um Erzurum und das Wetter war so schlecht. Es war kalt und es lag Schnee. Meine Geburtstagsanrufer aus Deutschland erzählten mir vom heißen Wetter in Deutschland und ich fror, Sonne sah ich schon länger keine mehr. Das war deprimierend. Marc hat für so was feine Antennen und nach einem ausgiebigem Shoppingausflug in einer großen Mall, überraschte er mich mit einem Wellnesshotel.
Oh, war das schön! Wir checkten für zwei Nächte in die Honeymoonsuite ein und schalteten komplett ab. Das Wetter konnte jetzt gar nicht schlecht genug sein – umso schöner war es im warmen Pool oder bei den entspannenden Massagen. Danke, Marc!
Die Schwarzmeerküste streiften wir in Rize kurz, bevor wir wieder ins Landesinnere nach Sivas fuhren. Meine Schulfreundin Gökce erwartete uns freudig und auch ich freute mich sehr, sie und ihre Familie wiederzusehen. Außerdem genossen wir die besten Köfte der Welt.
Marc wollte auf dem Weg nach Istanbul Ankara anschauen. Ich erwartete eine gesichtslose Millionenmetropole und wurde überrascht. Ankara war toll! Eine unaufgeregte, moderne Großstadt mit tollen Einkaufsmöglichkeiten und gutem Essen. Gut, das gibt es eigentlich immer, aber Ankara war echt anders. Außerdem schauten wir uns die Grabstätte von Atatürk an – ein Gänsehautmoment.
Wir landeten zum mittlerweile dritten Mal im aufregenden Istanbul. In dieser Stadt wird man nie fertig mit dem Besichtigen. Diesmal waren wir viel im asiatischen Teil, den uns unser Freund Anil ausgiebig zeigte. Und er hatte absolut recht, es ist das deutlich authentischere und schönere Istanbul.
Unser letzter Stopp auf dieser Tour führte uns nach Edirne. Auch diese Stadt kannten wir schon und wir hatten genaue Vorstellungen, was wir wo noch besorgen mussten, bevor es nonstop nach Regensburg ging. Endlich fand ich ein tolles Abendkleid, von dem ich zwar noch nicht weiß, wann und wo ich es anziehen werde, aber ich musste es haben.
Die Rückfahrt lief wie geschmiert und wir wechselten uns regelmäßig ab, so dass jeder zwischen vier bis sechs Stunden am Steuer saß. Nach knapp 18 Stunden kamen wir an und mussten dann direkt drei große Ladungen Wäsche waschen.
Diese Reise war eine Sammlung von Superlativen: die längste, weiteste, anstrengendste, aufregendste, spannendste und vielleicht schönste Tour, die ich bisher mit Marc und WHATABUS erleben durfte. Um die vielen Eindrücke zu verdauen und zu verarbeiten, dauert es wohl noch ein bisschen. Doch alleine dieses Resümee zu tippen und Bilder rauszusuchen, hinterlässt ein breites Grinsen in meinem Gesicht.
Çok teşekkür ederim, Türkiye! Du bist und bleibst mein Lieblingsland!