13. bis 14. Februar 2018
Tag 69: Dienstag, 13. Februar 2018
Die Nacht auf dem Parkplatz des Hotels und Restaurants am Lake Sevan war sehr ruhig. Leider haben wir nicht mehr allzu viel Zeit für unsere diesjährige Wintertour und stehen deswegen wieder früh auf.
Bei aufgehender Sonne fahren wir ein paar Kilometer weiter zur Halbinsel mit dem Sevanavank-Kloster.
Wir erreichen damit den östlichsten Punkt, an dem wir jemals mit WHATABUS waren – gerade in der Morgenstimmung an den alten Kirchen ein irgendwie magischer Moment für uns.
Wir suchen in der warmen Morgensonne nach einem Geocache und genießen die Aussicht und die Ruhe hier oben. Dass wir so weit Richtung Osten fahren, hätten wir uns nicht träumen lassen. Wir sind sprachlos, aber auch ein bisschen stolz auf uns und natürlich auf unseren treuen Gefährten WHATABUS!
Als wir wieder im Bus sitzen und den Motor starten wissen wir, ab jetzt geht’s nach Westen und somit in Richtung Heimat. Ich tippe interessehalber die Route nach Deutschland ins Navi – knapp 4.400 km haben wir vor uns – das schaffen wir doch mit links! (Entschuldigt das unscharfe Bild – da sind eindeutig die armenischen Straßen schuld 😉 )
Dafür müssen wir wieder nach Georgien fahren, da die Grenze zwischen Armenien und der Türkei für uns nicht passierbar ist. Außerdem hoffen wir, dass die Verbindung zwischen der georgischen Hauptstadt Tiflis und der Hafenstadt Batumi gut ausgebaut ist. Also fahren wir in Richtung Tiflis. Die Strecke bis zur Grenze wird dann mal wieder ein Abenteuer und Belastung pur für den Bus: Über 30 km Strecke durch die Berge in einem tief eingeschnittenen Tal sind Baustelle. Größtenteils gibt es keinen Straßenbelag.
Baumaschinen arbeiten mitten auf der Fahrbahn und das ganze ohne irgendeine Verkehrssicherung mit Ampeln, Warnbaken oder ähnlichem.
Und dazu noch der kaum zumutbare Fahrstil der Einheimischen – die Fahrt hinter dem Lenkrad ist sehr anstrengend für Selena, aber sie meistert es mit Bravour.
Irgendwann ist auch die Baustelle überstanden, die Straße dafür gepflastert von Schlaglöchern. An einem kleinen Laden kaufen wir noch etwas armenischen Wein, Käse und Wurst ein.
An einer Tankstelle vor der Grenze drücke ich einem Tankwart unser restliches armenisches Bargeld in die Hand und wir tanken für 460 Dram (ca. 0,76 €) pro Liter. An dieser Tankstelle stehen übrigens ausrangierte Zapfsäulen aus Deutschland mit D-Mark Preisen.
An der Grenze wird es dann aufregend: Während ich wieder als Passagier durchs Abfertigungsgebäude laufen muss, steuert Selena den Bus durch die Kontrolle. Der Zoll ist schnell erledigt, an der Passkontrolle dauert es dann ewig, ich bin schon fertig und beobachte, wie Selena den Bus an die Seite fahren muss. Die Beamten haben noch ihren Pass und unsere Fahrzeugpapiere. Sie haben ein ausgedrucktes Foto in der Hand, wahrscheinlich von einer Überwachungskamera oder einem Blitzer. Auf dem Foto ist ein Gesicht, das dem von Selena zumindest ähnelt. Mehrere Beamte kommen und vergleichen es mit dem Pass und mustern Selena eindringlich. Sie bekommt so langsam Panik, dass sie in einem armenischen Knast landet. Nach knapp einer Stunde kommt dann endlich ein Beamter und gibt ihr die Papiere zurück. Auf Nachfrage sagt er, dass alles kein Problem sei. Wir vermuten, dass das Vergleichsbild von der Einreise stammt und es wohl verdächtig war, dass wir in so kurzer Zeit eine so weite Strecke in Armenien zurückgelegt haben. Aber die Wahrheit werden wir nie erfahren. Selena hat Blut und Wasser geschwitzt. Wir freuen uns, endlich weiter fahren zu können.
Die Kontrolle der Georgier geht dann schnell und der Polizist begrüßt uns mit “Welcome back to Georgia, have a nice trip”.
Eigentlich sind wir nicht übermäßig scharf drauf, durchs Zentrum von Tiflis zu fahren, aber wir landen natürlich mittendrin. Der Verkehr ist auch hier chaotisch, der Fahrstil rücksichtslos. Selena ist mal wieder fertig mit den Nerven und nur am Fluchen. Immerhin bekommen wir bei der Durchfahrt ein kleines Sightseeing Programm geboten – Tiflis kann was, aber wir haben gerade überhaupt keine Lust, uns die Stadt genauer anzuschauen.
Wir schaffen es unbeschadet bis an den westlichen Stadtrand. Und dort: Autobahn und zwar nagelneu. Wir hoffen, dass dies auf den knapp 400 km bis ans Schwarze Meer in Batumi auch so bleibt, doch leider endet der Ausbau nach gut hundert Kilometern und es geht über Landstraßen durch Ortschaften und auf wieder mal üblen Straßen weiter.
Einmal ist ein Polizeiauto an einer Baustelle am Straßenrand wohl im Schlamm versunken, dass wir denken, es hätte seine Räder auf der rechten Seite verloren. Zu sehen gibt es unterwegs richtig viel – diese Linienbusse hier zum Beispiel mit ihren Gastanks auf dem Dach sehen doch abgefahren aus!
Nachdem wir den am weitesten von der Heimat entfernten Punkt jetzt wohl hinter uns haben, machen wir uns zum ersten Mal Gedanken über die Rückfahrt nach Deutschland und tüfteln an diversen Routenmöglichkeiten rum. Eine fixe Entscheidung treffen wir nicht, das handhaben wir weiterhin spontan. Nur auf eine Durchquerung Österreichs haben wir keine übermäßig große Lust – die Autobahn wollen wir dort definitiv aus Angst vor der Waage (nicht nur wir haben leicht zugelegt, auch unser Bus…) vermeiden und auf eine langwierige Fahrt über Landstraßen haben wir keine Lust. Außerdem befürchten wir, dass die österreichische Polizei im Fall einer Kontrolle ein Problem mit dem Riss in der Windschutzscheibe und dem kaputten Rücklicht am Fahrradträger hätte. Auf tschechisches Essen hätten wir mal wieder Lust. Apropos Essen: wir holen uns unterwegs zum Frühstück ein paar leckere georgische Gebäckteilchen.
Gegen 21 Uhr kommen wir nach 13 Stunden Fahrt für knapp 600 km in Batumi an. Dort kann man angeblich auf dem Parkplatz des Botanischen Gartens campen – aber als wir ankommen, teilen uns die Wächter mit, dass das nicht mehr möglich ist. Da es bereits stockdunkel ist, sind wir froh, dass wir etwas abseits der Straße eine Polizeiwache entdecken. Wir fragen die Beamten, ob wir bei ihnen im Hof für die Nacht parken dürfen, da wir auf die Schnelle im Dunkeln nichts Nettes finden und wir nach der Fahrt echt platt sind. Sie sind offensichtlich froh, dass wir nicht wegen irgendwelcher anderen Probleme zu ihnen kommen und weisen uns ein schönes Plätzchen zu.
Tag 70: Mittwoch, 14. Februar 2018
Die Nacht im Hof der Polizei war ruhig und als wir uns bedanken und verabschieden wollen, stellen wir fest, dass alle anwesenden Polizisten vor sich hindösen. Wir schreiben ein kleines Zettelchen mit “Dankeschön” auf georgisch (Madloba) und stellen ein paar kleine Fläschchen Odenwälder Schnaps dazu.
Im Zentrum vom Küstenort Batumi sind wir schnell angekommen und parken auf einem Parkplatz an der Hafenpromenade. Direkt beim Aussteigen haben wir schon die Skyline der Stadt vor uns.
Wir laufen ins Zentrum und sind fast schon sprachlos – Batumi ist so anders als der Rest von Georgien.
Viel moderner, viel aufgeräumter und die Straßen sowieso bestens. Jede Menge Casinos und schicke Hotels locken Touristen, wohl vor allem aus der benachbarten Türkei.
So langsam wird es Zeit für uns, weiter in Richtung Türkei zu fahren. Wir müssen Anfang März zurück in Deutschland sein und haben noch einen sehr langen Weg vor uns.
Natürlich wollen wir davor noch georgisch essen gehen, etwas einkaufen und günstig tanken. Es ist uns leider nicht möglich, ein georgisches Restaurant zu finden – es gibt vor der Grenze nur noch türkische Lokantas. Dann kaufen wir halt im letzten größeren Supermarkt ein, auch was zum Essen. Das georgische Gebäck ist super.
Später stellen wir aber fest, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum von vielen der gekauften Süßigkeiten schon überschritten ist. Ein paar Flaschen georgischen Wein kaufen wir natürlich auch noch. Die 2,5 Liter Flasche Oettinger lassen wir lieber im Regal stehen.
Bei einer Tankstelle, die Eurodiesel für 2,17 Georgische Lari (ca. 0,71 €) verkauft, lassen wir den Tank voll machen. Ich zahle einen Teil mit dem restlichen georgischen Bargeld und den Rest mit Kreditkarte. Nachdem ich die PIN ins Gerät getippt hab, reißt mir der Tankwärter das Gerät aus der Hand und meint, er müsste es schnell zum Aufladen ins Büro bringen und rennt weg. Ich gehe sofort hinterher und sehe, dass das Gerät einen Zettel ausdruckt, denn er sofort zerknüllen will. Ich nehme das Papier an mich. Er behauptet, die Zahlung hätte nicht funktioniert, und will meine Karte schon ins nächste Gerät stecken. Auf dem Beleg steht aber “PIN verified”. Ich diskutiere kurz mit ihm und er merkt, dass ich es ernst meine. Also gibt er mir die Kreditkarte zurück und ich gehe zu Selena in den Bus und sage ihr, dass sie schnell losfahren soll. Wollten die uns doch tatsächlich übers Ohr hauen – nicht mit uns!
An der Grenze geht die Kontrolle der Georgier ruckzuck. Der Passkontrolleur sagt auf deutsch zu uns: “Besuchen Sie uns wieder!” und der Zoll winkt uns schnell durch.
Dann kommt die türkische Kontrolle, wo wir uns erst mal durch die LKWs durchschlängeln müssen. Die Passkontrolle geht recht schnell, dann ist der Zoll dran. Während eine nette Zöllnerin sich um die Registrierung unseres Fahrzeugpapiere kümmert, kontrollieren zwei junge Beamte unser Auto. “Do you have cigarettes, whisky, vodka, honey?” – “We have a few bottles of wine.” – “That’s no problem.” Thema erledigt. Die Registrierung dauert währenddessen. Der Fahrer eines Reisebusses hinter uns wird ungeduldig und will offensichtlich, dass wir einfach weiterfahren und ihm Platz machen. Aber ohne Anweisung der Zollbeamten werden wir einen Teufel tun und unser Fahrzeug irgendwohin fahren. Er rangiert hektisch hinter uns herum und irgendwann touchiert er unseren Fahrradträger. Wenn der nicht vom Unfall auf Zypern eh schon beschädigt wäre, hätte er jetzt ein ernstes Problem. Hoffentlich ist nicht noch mehr kaputt gegangen, aber das werden wir sehen, wenn wir das nächste Mal die Räder auspacken. Ich hab schnell noch ein Foto von seinem Kennzeichen gemacht. Er schreit dann uns und die Zöllnerin an – die Beamtin verzieht keine Mine und ignoriert ihn. Wir handhaben das genauso, sind aber sehr genervt von diesem ungeduldigen und unhöflichen Typ.
Als die Kontrolle endlich fertig ist und wir losfahren, gibt er natürlich sofort Gas und überholt uns riskant noch innerhalb der Kontrollstation. Danach versucht er uns zu blockieren, während er seine Fahrgäste wieder einsteigen lässt. Auf der Weiterfahrt überholt er uns dann erneut provokativ, aber uns ist das jetzt erst mal egal – wir freuen uns, wieder zurück in der Türkei zu sein.
Ein paar Kilometer nach der Grenze kommt dann die erste Kontrolle der Gendarmerie, wieder gewohnt freundlich, allerdings werde ich diesmal am Körper nach Waffen abgetastet. Wir machen uns ganz entspannt auf die Weiterfahrt entlang der sonnigen Schwarzmeerküste ins Teeanbaugebiet bei Rize.
zur Übersicht: Die WHATABUS-Wintertour 2017/18: Balkan und Kleinasien
Guten Morgen Selena und Marc
Danke für den super Bericht! Es tut so gut, eure Schilderungen zu lesen, ohne grammatikalische Fehler. Heute ist das sooo selten! Ihr macht herrliche Bilder. Für die restlichen 4000km alles Gute!
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Mariann
Hallo Mariann,
das rührt uns jetzt wirklich.
Es ist uns ganz wichtig, möglichst frei von Schreib- und Grammatikfehlern zu berichten – immer wird uns das nicht gelingen, aber wir bemühen uns. Deswegen ganz lieben Dank für Dein Feedback!
Liebe Grüße aus der Türkei,
Marc und Selena
Auch ich möchte mich für die herrliche Berichterstattung bedanke.Eure Berichte sind immer sehr kurzweilig und ehe ich mich versehe kommt auch schon wieder das letzte Bild und die letzten Sätze 🙁 Schade….wenn ihr wieder zuhause seit….was lese ich denn da spannendes 😉 Nee im ernst,ihr macht das wirklich toll. In dieser Gegend wo ihr die letzten Tage wart,hatten wir unsere Hochzeitsreise gemacht. Wir sind 1988 über Jugendtourist (so hieß das damalige Reisebüro für jugendliche in der DDR) nach Tbilisi geflogen (bei fürchterlichen Gewitter in einer Propeller angetriebenen Tupulev, welche weiß ich leider nicht mehr, und mußten eine Stunde über Tbilissi kreisen,da es zu gefährlich war zu landen.Wir hatte echt Angst um unser Leben) und sind von dort mit einen Zug an Scharze Meer (Kobuletti,bei Batumi in der Nähe) welcher mehr einen Viehtransporter glich. Aber das hat uns damals als 21 jährige natürlich nicht gestört.Wir sind glaube ich auch 24 h unterwegs gewesen und hatten auf der Hinreise noch genug tringbares im Gepäck 😉 Da waren wir 14 Tage und sind von der Schwarzmeerküste zu Tagesausflügen in die umliegenden größeren Städte gefahren.Das war eine tolle Reise damals und wir erinnern uns immer wieder gerne daran zurück.Natürlich sind wir immer noch verheiratet 🙂 jetzt bereits im Mai 30 Jahre. 😉 Ich wünsche euch eine ebenso tolle Zeit miteinander.Genug zu berichten hättet ihr ja 😀 Kommt wieder gut zuhause an ihr lieben
Hallo Steffen,
das klingt ja auch sehr spannend bei Euch. Und sicher ist Eure Ehe nicht nur deswegen spannend und immer noch so toll 😉 Auf die nächsen 30 Jahre!
So spannend war unsere Hochzeitsreise nicht. Aber immerhin haben wir wilde Bären gesehen.
Alles Liebe aus der Türkei,
Marc und Selena
witzig, als österreicher will man eher die bayrische polizei meiden 😉