11. bis 12. Februar 2018
Tag 67: Sonntag, 11. Februar 2018
Von der Passhöhe Ilgar Dagi Gecidi in über 2.500 m Höhe geht es wieder einige Höhenmeter nach unten zum türkisch–georgischen Grenzübergang Türkgözü. Auf der türkischen Seite müssen wir das Auto parken und gemeinsam in das Gebäude zur Pass- und Zollkontrolle gehen. Alles ist schnell erledigt und wir fahren zur Kontrolle der Georgier.
Selena bleibt hinter dem Steuer, während ich als Beifahrer durchs Kontrollgebäude laufen muss. Meine Papiere sind relativ schnell kontrolliert, die Zöllner sind nur verwundert, dass ich kein Telefon bei mir trage, durchsuchen dafür dann halt meinen Geldbeutel.
Ich warte auf Selena und den Bus, die irgendwann zu mir rollen dürfen, aber an der Seite stehen bleiben müssen. Wir müssen unsere Medikamente vorzeigen. Der Zöllner geht dann mit mir und dem Beutel mit Tabletten etc. zu einer Kollegin ins Gebäude, wo die beiden mit mir die ganze Zeit Fragen nach härteren Drogen stellen und die Medikamente genauer durchsuchen. Nachdem ein Kollege den Bus zwischenzeitlich oberflächlich durchsucht hat, müssen wir noch warten, bis der Drogenhund kommt. Der läuft rund um unser Auto und schnüfffelt an den offenen Türen – aber alles drogenfrei.
Welcome to Georgia!
Direkt hinter der Grenze fahren wir zur ersten Tankstelle und machen unseren recht leeren Dieseltank für 2,30 Georgische Lari (umgerechnet 0,75 €) pro Liter voll. Der Tankwärter bringt Selena gleich Papiertücher, nachdem sie sich beim Öffnen des Tankdeckels schmutzig gemacht hat – er ist total freundlich zu uns.
Wir fahren ins erste Dorf und erschrecken – die Straße ist versperrt von düsteren Gestalten! Wir können nicht durchfahren und werden zum Anhalten gezwungen. Die wilde Gruppe haben teilweise Strümpfe übers Gesicht gezogen, Knüppel in der Hand und verlangen Geld von uns!
Aber hey, die Georgier feiern Fasching! Aus der Mitte löst sich ein Brautpaar – die Braut hat deutlichen Bartwuchs. Wir geben eine Handvoll Euro-Münzen raus. Ein Mann fragt uns in bestem Deutsch, was wir denn bitteschön hier zu suchen hätten. Alle sind total gut drauf, was wohl auch an dem Alkohol liegt, den fast jeder intus hat 🙂
Nachdem wir den angebotenen Wein höflich abgelehnt haben, fahren wir in den ersten Ort hinter der Grenze, heben Geld ab und kaufen ein bisschen ein – über die längst abgelaufenen Schokoriegel werden sich in Kürze ein paar Hunde und Hühner freuen.
Die Berglandschaft um uns herum gefällt uns schon total gut und die Sonne blitzt auch ab und zu raus. Nur die Straßen geben schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommt – ein paar Schlaglöcher und weggebrochene Straßenabschnitte sind bisher harmlos.
Bei der Weiterfahrt entlang eines Flusses kehren wir in einem Restaurant ein. Das georgische Essen ist sehr lecker – dem türkischen nicht ganz unähnlich, aber der russische Einfluss ist ebenso deutlich zu spüren. Ich überlasse Selena das Bestellen und wir bekommen ein paar landestypische Spezialitäten: Mzwadi (Schaschlick), Chinkali (Teigtäschschen mit würziger Fleischfüllung), Chatschapuri (gebackenes Käsebrot) und dazu leckere Soßen: Tkemali (Mirabellensoße) und Sasebela (Tomatensauce). Wir schlemmen und sind absolut begeistert! Der Service ist barsch, aber irgendwie passend zum Ambiente.
Wir zahlen und fahren weiter in die Richtung eines alten Klosters, welches in den Berg gehauen ist. Unterwegs gefällt uns die Berglandschaft auf Anhieb und wir sehen unter anderem eine tolle Burg auf dem Berg thronen.
Auf dem Parkplatz des Bergklosters Vardzia empfängt uns ein älterer Mann mit wenig Zähnen. Er erkennt uns sofort als Wohnmobil und fragt, ob wir hier übernachten wollen. Das Kloster ist heute schon zu und er zeigt uns die Toiletten, die Frischwasserquelle und in seinem Kabuff kramt er noch einen Ausweis heraus, der ihn als Sicherheitsmitarbeiter ausweist. Wir bleiben gerne, hier ist es schön ruhig – ein Parkgebühr will er nicht annehmen. Müde fallen wir ins Bett und schlafen satt und zufrieden ein.
Tag 68: Montag, 12. Februar 2018
Am Morgen stehen wir sehr früh auf, das Kloster ist offiziell immer noch geschlossen. Unser Aufpasser ist auch schon auf den Beinen. Er will den Eintritt kassieren, 7 Lari pro Person (also gut 2 €). Ich habe nur einen 20 Lari-Schein und sage ihm, dass der Rest fürs Parken und Aufpassen ist. Das will er nicht annehmen und er besorgt, bis wir wieder zurück sind, tatsächlich Wechselgeld.
Wir steigen also in Richtung der Felswand, in die das Kloster gebaut ist, auf und suchen dabei auch noch einen Geocache – den Länderpunkt für Georgien wollen wir uns schließlich nicht entgehen lassen!
Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert in eine 500 m hohe Steilwand gebaut – sehr beeindruckend.
Wir klettern auf den Steigen rum und entdecken zahllose Räumlichkeiten, die in den Fels gehauen wurden. Das Ganze ist dem Ihlara-Tal in der Türkei nicht ganz unähnlich.
Unser nächstes Ziel ist der in der Nähe liegende Grenzübergang zu Armenien. Auf der Weiterfahrt überholen uns viele ehemalige deutsche Handwerkerbusse (erkennbar an der deutschen Werbebeschriftung). Einer überholt uns besonders langsam: der Beifahrer hält einen Zettel ins Fenster mit “Hallo Deutsche” – wir freuen uns riesig und winken begeistert zurück.
Unterwegs gibt es viel zu Staunen – z.B. diese “Brücke” über den Fluss – ein alter Zugwagon. Wer würde da drüber gehen?
Wir passieren Achalkalaki. Uns fällt auf, dass jedes Schild mit der wunderhübschen georgischen Schrift und auch noch in der für uns lesbaren lateinischen Schrift versehen ist – gut für uns. Im Städtchen finden wir den Laden einer Bäckerin mit vielen Goldzähnen und kaufen alles, was noch da ist: zwei Gebäckteilchen und eine Packung mit fajitaähnlichen Fladen.
Vor dem Laden parkt ein alter Bus und Selena fragt den Fahrer, ob sie ein Foto machen darf. Natürlich ist das kein Problem. Der Fahrer eilt nach dem Foto an mein Fenster und stellt sich – ebenfalls mit goldgefülltem Lächeln – als Mischa vor. Er ist furchtbar stolz, von uns fotografiert worden zu sein.
Das Ortsbild ist seltsam und bietet mehrere Extreme: fette Mercedes Limousinen und abgefuckte Rostlauben, runtergekommene Wohnhäuser und ein nagelneues “Las Vegas”-Casino und dazwischen eine amerikanisch angehauchte Tankstelle mit Ferrari-Pferd im Logo – kurios!
Die Straße klettert dann auf gut 2.000 Höhenmeter. Hatten wir auf der Strecke durch Georgien bisher Schlaglöcher, die sich mit unser Fahrt durch die Ukraine messen können, wird es jetzt immer schlimmer. Eine Ortsdurchfahrt ist eigentlich keine Straße mehr, sondern übersät von Kratern. Im Schneckentempo kämpfen wir uns durch. Die Einheimischen eiern hier übrigens genauso durch und brettern nicht wild mittendurch.
Die letzten 20 Kilometer bis zum Grenzübergang bei Bavra sind die reinste Katastrophe: zum schlechten Straßenzustand kommen noch extreme Schneeverwehungen (bei den schlimmsten Verwehungen waren wir beide zu sehr aufs Fahren konzentriert, um Fotos zu machen). Solche Straßenverhältnisse hatten wir zuletzt auf unserer Fahrt zum Nordkap, nur ohne Schlaglöcher.
Immerhin begegnet uns tatsächlich mal ein Räumfahrzeug, aber auch das macht den Weg durch die tiefen Schlaglöcher nicht leichter.
Direkt vor der Grenze kommt es ganz hart, wir müssen einem entgegenkommenden LKW Platz machen und rutschen so richtig in einen Krater, aus dem wir fast nicht mehr rauskommen, aber wir schaffen es gerade so und am Bus bleibt alles heil.
Die georgischen Beamten fertigen uns schnell ab. Direkt auf der Grenzlinie schleppen sich LKWs, die im Schnee hängen, gegenseitig ab. Ein heilloses Chaos!
Bei den Armeniern muss ich wieder zu Fuß durchs Abfertigungsgebäude laufen, während Selena den Bus durch die Kontrolle steuert. Danach müssen wir noch die Formalitäten für die Einführung des Busses nach Armenien und eine Ökosteuer erledigen. Das kostet uns 10.000 Armenische Dram (umgerechnet gut 15 €) und dauert sehr lange. Die Grenzbeamten sind alle sehr nett und die eine Zollbeamtin sagt beim Eintippen unserer Fahrzeugdaten immer wieder: “This is so amazing!”
Beim Bankschalter, wo die Gebühren bezahlt werden müssen, kann ich auch gleich noch ein paar Euro in Dram wechseln – türkisches Geld wird hier übrigens nicht akzeptiert.
Nächster Schritt ist der Kauf einer vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung für Armenien (unsere eigens auch für Armenien erweiterte Vollkasko wird mal wieder nicht anerkannt). Der Versicherungsmakler bittet uns in seinem “Büro” auf seiner Pritsche (=Bett) Platz zu nehmen und würde uns auch gleich noch eine SIM-Karte verkaufen. Die Versicherung kostet günstige 4.000 Dram (ca. 6,60 €) für 10 Tage.
Endlich dürfen wir den den Grenzbereich verlassen und sind gespannt auf die armenischen Straßen. Diese sind, wider Erwarten, echt ganz passabel – noch!
Wir fahren eine ganze Strecke auf über 2.000 m in Richtung der Hauptstadt Jerewan, bevor wir die Höhe verlassen. Über 90 % von Armenien liegen übrigens über 1.000 m hoch.
Die Autobahn in die Hauptstadt ist noch im Bau, oft sieht man sie direkt neben der noch aktuellen Straße. Kurz vor der Hauptstadt ist sie auch endlich befahrbar. Übermäßig schnell kommen wir also nicht vorwärts.
Die großen und überaus baufällig erscheinenden Hochhausblöcke heißen uns in der armenischen Hauptstadt willkommen.
Wir erreichen Jerewan genau zur Rushhour, kommen aber ganz gut mitten im Zentrum an.
Allerdings ist dort der Verkehr absolut chaotisch, Selena verzweifelt schier an den übergroßen Kreisverkehren, dass wir uns nicht lange aufhalten wollen und steuern den etwas nördlich gelegenen Victory Park an. Wir parken WHATABUS mittendrin und schauen uns um.
Der Victory Park liegt auf einer Anhöhe über der Millionenstadt und wir haben einen guten Blick auf die Metropole.
Eine Statue von Mutter Armenien mit ein paar ausgedienten Militaria drumrum schaut über Jerewan in Richtung des biblischen Bergs Ararat (hier strandete wohl die Arche Noah), der leider im Smog nicht wirklich erkennbar ist.
Rund um die Statue liegt ein Vergnügungspark mit Einrichtungen, die teils noch aus der Sowjetzeit stammen und auch schon ihrem Verfall überlassen werden.
Wir suchen dort noch ein paar armenische Geochaches, bevor wir bei untergehender Sonne beschließen, dass wir nicht in der Stadt übernachten wollen.
Unser nächstes Ziel ist der Lake Sevan, ca. 1 Stunde nördlich von Jerewan. Die Strecke dorthin ist tatsächlich durchgehend Autobahn und in einem ganz ordentlichen Zustand.
Angekommen halten wir an einem Restaurant und Hotel mit Blick über den See. Wir fragen, ob wir auf dem Parkplatz nächtigen dürfen, wenn wir zu Abend essen. Klar, gar kein Problem. Eine der Mitarbeiterinnen ist Gaiana, die Familie in Wolfsburg hat und ein paar Brocken Deutsch und gutes Englisch spricht. Sie weist uns einen Parkplatz zu und bringt uns zu einer Tür, hinter der wir ein Motelzimmer erwarten. Aber nein, es ist “unser” persönliches Speisezimmer für den Abend – nur für uns allein! Wir lernen, dass das hier und in Georgien gängig ist. Direkt erinnern wir uns an Riga, wo wir damals in einem armenischen Restaurant gelandet sind. Da gab es auch schon so viele einzelne Gartenhüttchen zum Essen – jetzt wissen wir warum! Reisen bildet.
Wir bestellen aus der Karte leckere Grillgerichte und Gaiana will noch Fotos mit uns machen. Sie ist so glücklich und stolz, uns Deutsche als Gäste zu haben. Auf dem Foto lächelt sie übrigens ausnahmsweise nicht – das liegt wohl an ihren nicht so schönen Zähnen.
Das Essen ist schmackhaft – so gutes gegrilltes Schweinefleisch hatten wir schon lange nicht mehr und Selena bekommt endlich einmal wieder Wein zum Essen. Im Nachbarzimmer wird derweil mit viel Wein, Weib und Gesang gefeiert.
Nach dem Essen zeigen wir Gaiana noch unseren Bus und dürfen dafür eins der Hotelzimmer anschauen – auch ganz passabel, es erinnert uns an thailändischen Standard. Außerdem erzählt sie uns, dass die meisten Touristen aus Frankreich nach Armenien kommen – hätten wir gar nicht gedacht.
Total müde schlafen wir schnell ein, die Party nebenan ist auch bald vorbei.
zur Übersicht: Die WHATABUS-Wintertour 2017/18: Balkan und Kleinasien
Ein starkes Paar auf einer genialen Reise. Beim nächsten Treffen gibt’s eine Menge zu erzählen. Kommt heil zurück.
Ihr seit unglaublich…was für eine geniale Reise. Ich hoffe nur ihr kommt heile und ohne nennenswerte Verluste wieder nachhause. Um diese Erlebnisse beneide ich euch. Einfach Phantastisch :-*
Hi Selena Y& Marc
A question about risk and insurances in these “special” countries
I assume you had an insurance covering all risk also damages on your Wathabus, or maybe only the damage you could produce to others.
Considering Georgia is not in the green card system, did you insurance covered the same risk also when you were in Georgia? Armenia is equal,
or were you only covered by the civil liability insurance that you had to contract at the Border before driving into the Country and nothing for your Wathabus in case you hit a tree or a cow or other accident?
Thanks
Hi Frago,
as mentioned before our “normal” insurance can (at some extra costs) be extended to almost any country for the time of a trip. Ours was on this trip valid for Georgia and Armenia (and many other countries). Our “Vollkasko” covers all risks, so we were not only covered by the insurance we had additionally to buy at the border.
Marc