17. bis 19. Dezember 2017
Auf den zeitintensiven Fahrstrecken habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie man diesen Bericht übertiteln könnte… “Durch Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo und Mazedonien” oder “Von Kroatien weiter durch den Balkan nach Griechenland” – alles möglich, aber etwas langweilig…
“Angriff in Sarajevo” oder aber “Ungute Erfahrung auf dem Balkan” – zu plakativ.
Als Kind habe ich die Abenteuerromane von Karl May verschlungen und der Titel “In den Schluchten des Balkan” ist bei mir hängengebleiben. Der Held Kara ben Nemsi ist auf dem Balkan unterwegs, erlebt die dortige Landschaft und muss sich mit Schurken rumschlagen – und so ähnliche Erlebnisse lest Ihr jetzt in unserem Bericht.
Tag 11: Sonntag, 17. Dezember 2017
Wir wachen an unserem Nachtplatz, dem Friedhof am Rand des kroatischen Ortes Trilj auf und sehen wie (un)schön die Plätze des Vanlife doch sein können. Das hat nix mit dem #vanlife auf Instagram gemein. Das ist eben die Realität.
Wir fahren zeitig los in Richtung Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Es beginnt sehr stark zu schneien, der Schnee bleibt auf der Straße liegen, aber wir schaffen die bergige Strecke problemlos. Der Grenzübertritt in Kamensko ist schnell geregelt und wir sind froh, als die erste Tankstelle in Bosnien-Herzegowina kommt, unser Tank ist fast leer, der Diesel dafür sehr günstig.
Die Landschaft in Bosnien ist toll, es ist alles viel ordentlicher als wir es von unserem letzten Bosnien-Besuch in Erinnerung haben; die Häuser sind in gutem Zustand und man sieht kaum Müll (was aber vielleicht auch an der Schneedecke liegt), aber zum Biken oder Wandern ist es bei dem leichten Schneesturm einfach zu kalt. Wir fahren über ein Hochebene und müssen über ein paar gut 1.200 m hohe Passhöhen, die schon verschneit und teils kräftig verweht sind.
Dank Geocaching kommen wir zum Kloster Rama Scit, das auf einer Halbinsel in einem ziemlich leeren Stausee liegt. Wir frühstücken und pilgern einmal den Kreuzweg entlang, um das Döschen zu suchen. Dort finden wir auch einen tollen Travelbug: ein Unimog, der zur Mercedes-Fabrik in Wörth zurück will. Mal schauen, ob wir da helfen können 😉
Weiter geht’s nach Sarajevo, wo wir 2015 auf der Strecke zur Bobbahn gescheitert waren. Vorbei am Flughafen fahren wir durch die damals berüchtigte Sniper Alley in die Innenstadt.
Die Abzweigung zur Bobbahn finden wir diesmal besser, auch wenn Baustellen Umwege nötig machen.
Es ist kalt und je höher wir kommen, um so mehr Schnee liegt. Wir machen noch einen kurzen Halt an einer Ruine, die 2015 unser Wendepunkt war, weil wir damals nicht weiterkamen.
Aber diesmal kommen wir bei der Bobbahn an und können WHATABUS direkt unter einer der Kurven parken.
Wir laufen die Bahn selber auch noch ab und beschließen, am nächsten Morgen hier bei besserem Licht noch mehr Fotos zu machen. Beim Starten macht der Bus jetzt auf einmal Scherereien und springt erst im fünften Versuch an.
Nicht weit entfernt ist ein nagelneues 4-Sterne-Hotel mit einem großen Wanderparkplatz davor. Wir stellen WHATABUS dort ab und genießen sehr leckere drei Gänge im wunderschönen Ambiente.
Die Nacht wollen wir dann direkt auf dem großen Parkplatz vor dem Hotel verbringen. Wir schlafen auch schnell ein, wachen allerdings gegen halb eins wieder auf, weil wir Geräusche hören. Taschenlampen leuchten plötzlich unter die Plane am Fahrradträger und jemand macht sich dort zu schaffen. Selena klopft ans Fenster und es ist ganz kurz still. Dann aber geht’s wieder weiter mit dem Rumwurschteln… Selena macht noch mal auf uns aufmerksam. Wir sind hellwach. Wieder entfernen sich die Personen, aber nur, um eine halbe Minute später wieder zurück zu kommen. Sie schlagen auf den Bus. Ich schreie laut “‘Hey!” und aus dem Seitenfenster sehen wir, drei Männer die erst ein paar Schritte weglaufen, aber dann langsam werden und breitbeinig in unsere Richtung schauend stehenbleiben. Genug, wir wollen hier weg und machen hektisch den Bus startklar. Währenddessen haben sich die drei Jungs ihr Auto geschnappt und kommen angerast. Sie stoppen an der Seite des Busses und leuchten uns mit Fernlicht an. Selena startet und WHATABUS springt gottseidank sofort an! Als die Jungs das merken, wenden sie sofort und fahren schnell weg in Richtung Stadtzentrum. Selena zittert und weint, also fahre ich. Wir nehmen die andere Richtung, also noch weiter den Berg rauf. Und es schneit, die Straße ist nicht geräumt. Nach über 20 Kilometern vorsichtiger Fahrt kommen wir wieder in besiedeltes Gebiet an eine Tankstelle. Dort checke ich den Bus und stelle fest, dass nix beschädigt ist. Aber die Gurte der Fahrradabdeckung sind teilweise geöffnet.
Wahrscheinlich waren es “nur” ein paar Halbstarke, die wohl nicht damit gerechnet hatten, dass bei dem Winterwetter tatsächlich jemand in einem Wohnmobil pennt. Vielleicht hatten sie gehofft, was von unserem Fahrradträger klauen zu können. Aber der Schock sitzt tief bei uns…
Ab der Tankstelle übernimmt Selena wieder das Steuer und wir fahren weiter bei starkem Schneefall über mehrere Pässe in Richtung Osten, weg von Sarajevo. An einem Pass kommt uns noch ein LKW entgegen, der es kaum den verschneiten Berg hoch schafft und ordentlich schlingert. Wir kommen gerade so an ihm vorbei.
In Rogatica halten wir an einer Tankstelle, die geöffnet hat. Wir machen unseren Gastank voll und fragen den Tankwart, ob wir ein paar Stunden parken dürften. Kein Problem. Es ist mittlerweile halb vier und wir fallen in einen unruhigen Schlaf, obwohl wir total erschöpft sind.
Tag 12: Montag, 18. Dezember 2017
Um sieben stehen wir wieder auf. Der Schock sitzt tief und wir sind total übermüdet, so dass dieser Tag recht verschwommen in unserer Erinnerung ist.
Wir fahren weiter durch Schluchten, in denen das Wasser aufgestaut wird. Alles ist voll mit Müll, recht trostlos und unserer Stimmung nicht unbedingt zuträglich…
Wir kommen an die Grenze zu Serbien am Übergang Uvac. Der bosnische Grenzbeamte prüft lange unsere Pässe und inspiziert dann auch noch ausführlich den Bus. Auf der anderen Seite des Flusses wollen auch die serbischen Beamten unseren Bus genauer sehen – allerdings eher, weil sie sich wohl mal unsere Wohnung anschauen wollen. Eine Beamtin ist ganz begeistert und sagt die ganze Zeit nur: “Bon bon!” Serbien empfängt uns herzlich, das ist schön.
Gut, weiter geht’s zu einem Kloster, wo wir auch wieder einen Geocache suchen wollen. Wir parken als einziges Fahrzeug auf dem Parkplatz und sofort kommt ein Mann an, der uns eine offiziell aussehende Marke unter die Nase erhält. Wir könnten hier unter keinen Umständen übernachten (es ist gerade mal 10 Uhr morgens). Keine Angst, wir wollen nur ein paar Fotos vom Kloster machen!
Den Geocache finden wir dann auch nicht und machen uns auf die Weiterfahrt durch das Land, das einen eher trostlosen Eindruck macht – alles wirkt recht heruntergekommen. Liegt sicherlich auch am grauen Wetter und wahrscheinlich haben wir uns eine arme Region zur Durchreise ausgesucht.
Es ist nicht mehr weit bis Dobrakovo, dem Grenzübergang zu Montenegro. Die Ausreise aus Serbien ist schnell erledigt, die montenegrinischen Beamten kontrollieren uns schon genauer. Die Zöllner halten uns erst für einen Transporter (“Cargo?”)… “Ah tourists! Welcome!!!” höre ich sofort, als ich zur Kontrolle den Bus aufmachen und werde sogar mit Handschlag begrüßt. Die Grenzübergänge sind heute unsere Tageshighlights.
In Bijelo Polje halten wir für einen Geocache und kaufen in einer Bäckerei eine Tüte voll mit Gebäck, v.a. leckeren Böreks für 5 Euro ein – das reicht locker für zweimal Frühstücken!
Durch starken Schneefall und über verschneite Passstraßen fahren wir zum einzigen Grenzübergang zwischen Montenegro und dem Kosovo. Dafür müssen wir über einen gut 1.800 m hohen Pass. Ob der bei dem Schneefall befahrbar ist? Auf GoogleMaps haben wir auf dem Luftbild schon gesehen, dass die Kontrollstellen nicht auf der Passhöhe sind, sondern jeweils schon einige Kilometer davor, also viele Höhenmeter drunter. Schon bevor wir zur Ausreise aus Montenegro kommen, ist die Schneedecke auf der Straße so tief, dass wir beschließen, die Ketten aufzuziehen. Ein paar Jungs kommen mit ihrem BMW vorbei und erzählen uns, dass sie hier schon seit einer Stunde im Schnee zum Spaß rumfahren. Schneeketten? Pah, geht auch ohne.
Wir bleiben typisch deutsch – Sicherheit geht vor – und sind froh, dass wir die Ketten (diesmal rechtzeitig) aufgezogen haben – an einigen Rampen wären wir ohne Ketten sicherlich hängengeblieben.
Bei der Ausreise aus Montenegro halten wir einen längeren Schwatz mit den Beamten. Sie scherzen mit uns und wollen wissen, ob wir vor den Straßenverhältnissen Angst hätten. Wir erzählen von unserer Tour zum Nordkap im Winter und sie wollen gleich wissen, ob Norwegen oder Montenegro schöner sei 😉 Wie schon gesagt, die Grenzübergänge retten unseren Tag, an dem wir ziemlich neben uns stehen.
Wir kommen auf die Passhöhe, nach der die Straße dann deutlich besser geräumt ist von den kosovarischen Räumtrupps. Die Schneeketten kommen also wieder runter und wir rollen zur Grenzstation der Kosovaren. Die Kontrolle ist wieder sehr freundlich. Ein Zöllner lässt mich eher pro forma die Schiebetür öffnen und begrüßt mich auch gleich mit Handschlag im Kosovo. Ich muss noch mal ein paar Schritte zurücklaufen, um die Kfz-Versicherung für den Kosovo zu kaufen, 15 Euro für 15 Tage (der Kosovo nimmt nicht am System der Grünen Karte teil…).
Am Stadtrand von Pec, das direkt an den Bergen in einer Ebene liegt, halten wir am Motel Antika und fragen, ob wir als Restaurantgäste die Nacht hinterm Hotel verbringen dürfen. Gottseidank ist eine Köchin da, die gut deutsch spricht. Alles kein Problem, sogar unsere Pässe werden registriert. Später werden faire 10 Euro fürs Parken auf unsere Restaurantrechnung dafür aufgeschlagen.
Nachdem wir zwei Stunden lang etwas Schlaf nachgeholt haben, gehen wir zum Essen. Der Hammer! Äußerst freundlicher Service (ein weiblicher Gast dolmetscht mal wieder für uns), super lecker und auch günstig (das zarte Rumpsteak z.B. 5 Euro). Achja, und schnelles WLAN.
Wir schlafen danach die Nacht so ziemlich durch, der Schreck ist allerdings noch nicht ganz verdaut.
Tag 13: Dienstag, 19. Dezember 2017
Wir haben beschlossen, dass wir genug von Passstraßen, Kälte und Schnee haben und jetzt auf dem schnellsten Weg in Richtung Griechenland weiter fahren wollen. Also ab nach Mazedonien! Vorher wollen wir aber auch noch einen Cache im Kosovo suchen.
Wir passieren Pristina, die Hauptstadt des Kosovo. Unterwegs begegnen uns ständig KFOR-Fahrzeuge (Österreicher mit Puch-Geländewägen, italienische Carabinieri und Schweizer mit einem coolen 4×4-Sprinter).
Die Straßen sind teils in einem schlechten Zustand und dann wieder nagelneu. Die Autobahn südlich von Pristina ist gerade erst fertig und auch recht leer.
Das ganze Land scheint voll im Aufbruch zu sein und überall entstehen neue Gebäude – alte beschädigte sind nicht zu sehen. Und überall wehen albanische Fahnen und es stehen viele Denkmäler für die UCK…
An der Grenze zu Mazedonien läuft alles wieder recht schnell, nur die mazedonischen Zöllner befragen uns länger, wo wir schon waren und wo wir hinwollen.
Die Autobahn ist dann erst mal recht gut ausgebaut und wir umfahren die Hauptstadt Skopje. Wir müssen oft an Mautstellen halten, wo wir jeweils so 1,00 bis 2,50 Euro zahlen. Und praktischerweise wird dort auch leckeres Gebäck direkt am Straßenrand verkauft. Auch wenn wir sicherlich einen Preis mit Aufschlag bezahlt haben, ist es immer noch günstig und wir haben was Gutes getan – unseren Mägen und der netten Verkäuferin 😉
Die Autobahn ist leider noch nicht durchgehend fertiggestellt… aber wir kommen zügig in Richtung Griechenland. Der Grenzübertritt ist auch wieder schnell geregelt.
In Griechenland wollen wir uns erst mal orientieren, wir haben keinerlei Plan. Selena war noch nie hier, ich war vor ca. 30 Jahren mit meinen Eltern im VW-Bus hier unterwegs und vor 25 Jahren auf Abschlussfahrt mit der Schule…
Wir fahren nach Vergina, wo die Stellplatz-Apps einen Parkplatz mit Wasserhahn ausweisen. Der Besitzer Niko begrüßt uns wie langersehnte Freunde auf Deutsch (wir sind natürlich die einzigen Gäste) und kassiert die 4 Euro. Die zwei Fellnasen freuen sich auch über unseren Besuch.
Kurz danach treffen wir ihn auch wieder in einer der wenigen Kneipen, die noch offen haben. Wir lassen uns Salat, Souflaki und Bifteki schmecken. Niko gibt uns noch einen Ouzo aus (Selena trinkt höflich beide Gläser aus und ist ziemlich beschwipst).
Beim Essen haben wir uns Gedanken gemacht, was wir in Griechenland so machen könnten… Konkretes entscheiden wir nicht, wir wollen uns einfach treiben lassen. Ab jetzt wird entschleunigt, wir haben schließlich Zeit.
In dieser Nacht schlafen wir auf alle Fälle wieder sehr gut! Die negativen Gedanken aus Sarajewo versuchen wir zu vergessen. Wir lassen uns von diesen Idioten nicht unsere Reise verderben! Passieren kann uns sowas immer und überall, deswegen verteufeln wir Bosnien-Herzogowina auch nicht. Reisen ist tödlich für Vorurteile und die wollen wir ganz sicher nicht schüren.
So, das waren jetzt viele Grenzübergänge in den zwei Tagen… Aber wir hatten die Schnauze voll von Schnee, Müllbergen und Tristesse, wir wollten nach Griechenland!
Und: Wir haben übrigens seit Slowenien (Tag 6) kein einziges Wohnmobil mehr gesehen… ob das in Griechenland jetzt anders wird? Wir freuen uns sehr auf das, was uns erwartet!
zur Übersicht: Die WHATABUS-Wintertour 2017/18: Balkan und Kleinasien
Ein kurzweiliger, schöner Bericht. Hat Spaß gemacht zu lesen. Bin froh, froh dass ihr den Vorfall gut überstanden habt! Man weiß ja nie, aber wie ihr schon sagt, das kann wirklich überall passieren…
schade, dass ihr an Skopje vorbei seid. Soll ne sehr interessante Stadt sein. Aber verstehe auch absolut, dass es euch in wärmere Gefilde gezogen hat!
🙂
Hallo Ihr beiden,
wir planen auch einen Trip durch Slowenien, Bosnien, Montenegro und Kroatien. Ich hab da noch zwei Fragen zur Rundreise:
– muss man sich wirklich bei der Einreise in Montenegro und Bosnien im Land bei der Polizeidienststelle registrieren lassen?
– braucht man für die Durchreise ein Ersatzrad oder reicht ein Reperatur-Kit aus – habt Ihr ein Ersatzrad dabei gehabt?
– muss sonst noch was beachtet werden?
Vielen Dank schon mal für eure Hilfe…
Markus
Hallo Markus,
bei der Einreise in die Länder bekommst Du einen Stempel in die Pässe und wirst somit registriert. Meinst Du vielleicht die Registrierung für jede Nacht, die angeblich vorgeschrieben sein soll? Die haben wir auch nicht gemacht. In Bosnien standen wir immer irgendwo, da wir nie einen offenen offiziellen Platz gefunden haben.
Wir haben ein Ersatzrad an Bord, deswegen stellte sich die Frage nicht für uns. Allerdings macht es unserer Meinung nach großen Sinn, ein Ersatzrad dabei zu haben.
Beim ADAC hab ich keine Info dazu gefunden, an anderer Stelle aber gelesen, dass für Montenegro ein Ersatzrad gefordert wird, wenn es vom Hersteller serienmäßig als Ausstattung kommt. Ansonsten reicht wohl ein Reparaturset.
Mehr Infos zu den beiden Ländern findest Du übrigens hier:
https://www.whatabus.de/ausfluege-und-touren/bosnien-herzegowina-mit-dem-wohnmobil-laenderinfos-und-tourberichte/
https://www.whatabus.de/ausfluege-und-touren/montenegro-mit-dem-wohnmobil-laenderinfos-und-tourberichte/
Puh, sicher gibt es sonst noch viel zu beachten, aber wir fahren eigentlich auch immer einfach drauf los. Spontan fällt mir gerade noch die Grüne Versicherungskarte ein, die wurde bei uns an der Grenze zu Bosnien mal kontrolliert. Auch sonst auf dem Balkan wollten sie die schon öfter sehen.
Viele Grüße, gerade aus dem stürmischen Malta,
Marc