März / April 2020
Während meiner Wintertour ging es ja schon los: Corona war in aller Munde. Als ich mich Anfang März auf die Rückfahrt von Italien machte (und schon davor) erreichten mich viele panische Nachrichten, da ich im Corona-Land Italien war. Aber ganz ehrlich: dort hab ich nicht viel mitbekommen, das Leben ging in den Regionen, wo ich war, weiter seinen Gang, nur die Schulkinder waren auch tagsüber auf der Straße, da die Schulen geschlossen hatten.
Am 9. März startete ich für die letzte Etappe meiner Rückfahrt in der Toskana. Die Panik der Nachrichtenschreiber wurde immer größer, musste ich doch jetzt durch mehrere “rote Zonen” in Italien fahren. Aber das war alles gar kein Problem, auf der Autobahn kam ich problemlos durch. Auf der Höhe des Gardasees bekam ich sogar in der Raststätte einen Espresso an der Bar in der Porzellantasse, obwohl schon Zettel hingen, dass der Verkauf nur noch zur Mitnahme erlaubt sei.
Über den Reschenpass verließ ich Italien ohne Kontrolle. Nach einem Abstecher über Samnaun kam ich nach Deutschland, da mich dort einige Termine erwarteten. Gut, der erste wurde gleich abgesagt – da ich aus Italien kam. Auf meinen Baustellen, wo ich zur Bauleitung vorbei fuhr, hielten die Arbeiter Abstand – da ich aus Italien kam.
Bei meinem Hausarzt, bei dem ich nach den drei Hundeattacken auf Sizilien zur Tollwut-Impfung einen Termin hatte, war natürlich auch ein Thema, dass ich aus dem Risikogebiet Italien kam. Aber nein, ich würde ganz sicher nicht getestet werden, so lange ich keine Symptome hätte. Ihr glaubt nicht, wie viele schon geradezu beschimpfende Mails ich bekommen habe, mich doch gefälligst testen zu lassen. Aber: selbst ein negativer Test ist keine Garantie, dass man nicht bereits infiziert ist, erklärte mir mein Hausarzt (wer sich mit Viren auseinander gesetzt hat, weiß ja auch, dass zum Beispiel eine HIV-Infektion in den ersten Wochen auch nicht nachweisbar ist, der Infizierte aber bereits Überträger ist).
Zurück an meiner Meldeadresse bei meinem 70-jährigen Vater, dank diverser Vorerkrankungen offizielles Mitglied der Risikogruppe, hielt ich weiter Abstand von Menschen. Deswegen blieb ich auch nicht lange an der Meldeadresse, Abstand halten ist nicht so einfach, wenn man bei vertrauten Personen ist.
Meine geschäftlichen Termine wurden bedingt durch die Corona-Krise immer weniger. Noch konnte ich halbwegs ungehindert mit dem Bus frei stehen, wurde aber im “Heimatlandkreis” Regensburg mit meinem Münchner Kennzeichen, das ich nach dem Auszug aus der Wohnung in München behalten hatte, von vielen argwöhnisch beäugt und sogar darauf angesprochen.
Vanlife und Ausgangsbeschränkungen – wo stehen?
Da absehbar war, dass es so wie in Italien zu Ausgangsbeschränkungen kommen würde, musste ich mir etwas überlegen: mit gelegentlichen geschäftlichen Besuchen auf der Baustelle und anderen unvermeidlichen Terminen wollte ich mich nicht am oder im Haus meines Vaters einnisten, da ich ihn als Risikogruppe schützen wollte. Noch dazu muss ich sagen, dass an meiner Meldeadresse der Internetempfang echt schlecht ist…
Also wo könnte ich mit dem Bus stehen? Irgendwo im Wald verstecken? Verstecken finde ich nie gut, gibt man doch gleich Anlass zur Vermutung, dass man tatsächlich etwas zu verbergen hätte. Also schaute ich mich bei meinen Radtouren nach einem Platz im Grünen um, wo ich zwar ruhig, nicht unbedingt zu sehr auf dem Präsentierteller, aber doch offen stehen könnte.
Auf dem Gelände eines Vereins (ich möchte den Namen und Zweck jetzt noch nicht nennen, werde das aber nach der “Krise” sicherlich mal tun) fand ich meinen aktuellen Platz und parkte dort ab einen Tag vor der Pressekonferenz des bayerischen Ministerpräsident Söder, die die Ausgangsbeschränkungen für Bayern ankündigte.
Nach ein paar Tagen kam der Vorsitzende des Vereins vorbei und fragte, was ich auf dem Platz so machte. Ich erklärte ihm meine Lage und er gestattete mir, dort zu stehen. Ob mich denn die Polizei noch nicht kontrolliert hätte, wurde ich von ihm gefragt. Die kam zwar täglich auf ihrer Streifenfahrt vorbei, hatte mich aber noch nicht angesprochen.
Das sollte auch noch eine paar Tage dauern. Mein Kennzeichen war sicherlich längst überprüft worden und es war festgestellt worden, dass ich trotz Münchner Kennzeichen aus dem Ort kam.
Eines Morgens, als ich in der offenen Schiebetüre gerade Kaffee kochte, kam eine Streife zu mir. Sie hätten mich ja schon in den vergangenen fast drei Wochen beobachtet und baten um meinen Ausweis. Ich erklärte meine Situation. Sie stellten fest, dass ich ja nicht zum Campen hier wäre, also nicht aus Freizeitgründen. Außerdem hätte ich mich über längere Zeit nicht wegbewegt. Es ist also zu erkennen, dass ich nicht am Rumtingeln bin und die nötigen Bestimmungen einhalte. Deswegen würden sie es akzeptieren – sehr nett! Übrigens war einer der beiden angenehmen Beamten auch Camper und wir fingen gleich das fachsimpeln an.
Da mich viele Fragen von Lesern erreichen, wie ich das denn jetzt mit dem Freistehen so machen würde und ob sie denn vielleicht zu Ostern mit ihrem Wohnmobil raus könnten, hab ich diese Frage an die beiden Ordnungshüter weiter gegeben: ganz klares Nein.
Achja, natürlich hab ich auch bei den Vereinsmitgliedern ein gewisses Interesse geweckt. Der Vorsitzende kam öfters vorbei in letzter Zeit und hat mir auch weiterhin erlaubt, zu bleiben. Ich vermute mal, dass ich nach einigen Einbrüchen ins Vereinsheim in den letzten Jahren eine gerne gesehen 24/7-Security bin.
Der Vanlife-Alltag zu Zeiten von Corona
Mein Alltag besteht darin, dass ich versuche so produktiv wie möglich zu sein. Puh, ganz schön schwierig… ganz ehrlich, mir schlägt diese Situation im Moment schon arg auf die Seele. Dass es mir richtig gut geht, könnte ich nicht sagen.
Morgens schlafe ich viel zu lange, komme kaum aus dem Bett und abends bin ich lange wach, streame irgendwelche Serien – mittlerweile habe ich Amazon Prime, Netflix, Sky Ticket und Joyn laufen.
Außerdem nutze ich die Onleihe. Die Stadtbücherei hat mir dafür noch einen Testzugang freigeschaltet, der dank der Ausgangsbeschränkungen nicht nur für 14 Tage funktioniert, sondern sogar bis Anfang Mai. Und ja, versprochen, ich werde dann natürlich einen Mitgliedsausweis erwerben. Mit der Onleihe kann ich z.B. eBooks digital ausleihen und auf dem Tablet lesen – sehr praktisch. Ich hab auch schon ein paar Bücher durch (es ging darin natürlich ums Reisen und um andere Länder).
Aber abgesehen von Streamen und Lesen schaffe ich es auch zu arbeiten. Ich habe einige Arbeiten, die ich mir extra für die “Quarantäne” mit in den Bus genommen habe, schon erledigt. Sogar der Quartalsabschluss fürs Planungsbüro war bereits am 3. April erledigt – rekordverdächtig!
Im WHATABUS-Shop habe iich paar neue Aufkleber mit Länderflaggen eingestellt (hier mehr Infos dazu).
Immer mehr Besprechung für meine Projekte finden im Moment online statt. Und ich habe Hoffnung, dass das auch so bleiben wird, käme es doch meinem Nomadentum sehr entgegen. Statt jeden Mittwoch nach München zu fahren, könnte ich am Jour fixe auch teilnehmen, wenn ich in Anatolien bin – genial! Und keiner merkt es.
Ich mache natürlich viel Sport, versuche so oft wie möglich mit dem Rad rauszukommen und einige Kilometer zu bewältigen.
Das ist auch dringend nötig, besteht ein großer Teil des Tage alleine ja auch aus Kochen und dem Verzehr von vielen Kalorien… ich habe mich bewusst dazu entschieden, in diesem Artikel (fast) keine Bilder vom Essen zu veröffentlichen 😉
Außerdem habe ich mir einen ganz alten Traum erfüllt: ich wollte schon immer Bass spielen (ja, in meiner Jugend hab ich Saxophon gespielt und auch eine Band gegründet, die es übrigens heute noch gibt). Deswegen hab ich mir jetzt eine Bass-Ukulele* besorgt und übe jeden Tag fleißig. Ich hoffe ja auf das ein oder andere Festival dieses Jahr, wo man im Camp selber ein bisschen Musik machen könnte.
Soziale Kontakte
“Social Distancing” – was für ein blödes Wort. Es sollte doch eher “Physical Distancing” heißen… Ich kommuniziere viel mit meinen Freunden und Familie, telefonisch, über WhatsApp, Videotelefonate etc. und muss ganz ehrlich sagen, dass ich mit vielen Leuten auf diesem Weg intensiver in Kontakt bin, als ich es sonst wäre.
Ansonsten schaut hin und wieder ein großer Feldhase vorbei – der ist aber noch so scheu, dass die physischen Distanzregeln problemlos eingehalten werden können. Nachts höre ich ab und zu die Wildschweine – auf deren Freundschaft lege ich eigentlich keinen Wert, so verzweifelt bin ich noch nicht.
Bei meinen Wanderungen zum Briefkasten (mindestens drei Kilometer entfernt) schaue ich bei ein paar Chicka-Gangs vorbei (mit drei Gruppen hab ich mich schon etwas vertraut gemacht).
Ok, zu meinem Geburtstag hatte ich Besuch von einer einzigen Person, aber das wird ja wohl noch erlaubt sein…
Autarkie im Wohnmobil und Quarantäne
Gerade jetzt merke ich, wie sehr mir die ganzen Aufrüstungen am Bus zugute kommen, kann ich so doch recht gut autark stehen.
Dank der erweiterten Solaranlage reicht der erzeugte Strom, auch wenn das leistungsstarke CAD-Notebook (ein Stromfresser!) den ganzen Tag läuft. Etwas problematisch war der eiskalte Ostwind in der ersten Woche: er traf genau auf der Beifahrertür auf bzw. unter den Bus. Unter dem Beifahrer sind die neuen Lithium-Batterien untergebracht (hier mehr zu den aktuellsten Aufrüstungen). Diese laden aber erst, wenn sie 5°C Temperatur haben. Da musste ich an ein paar Tagen bis Mittag warten, dass das Batteriemanagement wieder Laden zuließ. Aber ich hatte immer genug Reserven.
Dank Gastank kann ich viel kochen und in der erwähnten Woche wurde mir auch nicht kalt. Aber ganz ehrlich: ich hatte nicht damit gerechnet, dass es im März in Bayern noch mal so arktisch kalt wird und hatte nicht extra noch Gas getankt – deswegen war der Gastank tatsächlich als erstes leer. Aber die Tankstellen haben ja glücklicherweise noch auf.
Dank des Umbaus auf die Komposttoilette von Nature’s Head* kann ich auch uneingeschränkt aufs Klo gehen – so viel ich will.
Auch mit dem Frischwasser komme ich gut klar. Normalerweise habe ich neben dem 100-Liter-Wassertank noch einen 20-Liter-Kanister* als Ersatz an Bord – jetzt hab ich zwei dieser Ersatzkanister dabei. Als ich nach 10 Tagen im Vereinsheim Wasser aus der Küche holen durfte, stellte ich fest, dass ich gerade mal 70 Liter verbraucht hatte… ich komme also offensichtlich sehr gut mit meinem Vorrat aus.
Mein Internetempfang (hier mehr darüber) ist auf dem offenen Gelände auch sehr gut – viel besser als an meinem Elternhaus, das im Wald liegt.
Meine Essensvorräte an Bord sind dank der vielen Mitbringsel von den Reisen schier unerschöpflich – was ich da so nach und nach für Leckereien finde… Um soziale Kontakte zu meiden, hab ich ordentlich eingekauft, bevor ich Quartier bezogen habe. Als nach 10 Tagen der Gastank leer war, kombinierte ich die Fahrt zur Tankstelle am Samstagabend mit einem Einkauf im Supermarkt, den ich um diese Uhrzeit fast für mich alleine hatte. Nach weiteren 10 Tagen erledigte ich den zweiten Großeinkauf. Gummibärchen hatte ich übrigens vorher noch gehamstert… Achja, Klopapier hab ich vor gut drei Wochen auch noch zufällig bekommen.
Hilfe für Menschen, die sie wirklich brauchen
Irgendwie wollte ich auch nicht so ganz tatenlos sein: in Anbetracht der Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln der heranrollenden Corona-Epidemie recht schutzlos ausgeliefert sind, habe ich eine kleine Benefiz-Aktion gestartet, mehr dazu lest Ihr hier und hier könnt Ihr direkt mit Eurem Einkauf helfen. Ich würde mich sehr über Eure Unterstützung freuen!
Was ich vermisse…
… einfach mal in ein Café zu gehen und da einen Espresso an der Bar zu trinken.
#luxusprobleme
*Affiliate Link/Werbung
Interessant zu lesen wie das Vanlife derzeit so in Deutschland läuft und deine Hilfsaktion finde ich mega! Ich bin seit heute auch wieder im Lande, werde mich mit meinem Bulli aber ganz bald wieder “vom Acker” machen.
Liebe Grüße, Anja