6. bis 8. Januar 2020
Tag 19: Montag, 6. Januar 2020 (Feiertag Heilige Drei Könige)
Das Wetter war eher so kalt, dass ich meine Überlegungen vom Vortag über den Haufen schmiss, den Campingplatz La Focetta Sicula zu verlassen, um in luftige Höhen rund um den Ätna zu fahren – ich beschloss, eine 15. Nacht daranzuhängen, um meinen Rekord noch etwas auszuweiten.
Ich nutzte den Regentag zum Arbeiten, Bügeln, Abspülen und Zusammenpacken. Gottseidank hatte der Bäcker im Dorf trotz Feiertag offen, so dass ich gestärkt in den Tag starten konnte.
Abends machte ich mich im Ort Sant’Alessio Siculo auf die Suche nach gutem italienischen Essen – leider erfolglos. Nur das Tex-Mex-Restaurant hatte offen. So gab es halt Enchiladas und Burger (der aber zumindest mit sizilianischem Pferdefleisch).
Tag 20: Dienstag, 7. Januar 2020
Vor der Abfahrt wurde noch der Wassertank gefüllt. Und schon ging es los. Schnell kam der schneebedeckte und von einem kleinen Ausbruch rauchende Ätna in den Blick.
Und oben lag natürlich Schnee. Für ein geschäftliches Telefonat musste ich an der Hütte Rifugio Ragabo stoppen, wo auch die Station vom Winterdienst ist.
Ach,wenn ich da schon mal stand und die Küchen offen war, nutzte ich das doch gleich für eine kulinarische Mittagspause…
Und es ging weiter nach oben. Der Ätna ist gut 3.300 m hoch (das variiert je nach vulkanischer Aktivität). Von Norden her konnte ich bis auf 1.800 m Höhe mit dem Auto anfahren und hatte einen guten Blick auf den Gipfel.
Immer wieder stoppte ich zum Fotografieren.
Etwas östlich vom Gipfel konnte man die Rauchwolken der momentanen Eruption am besten sehen.
Ich umfuhr den Gipfel und kam langsam zum südlichen Zugang.
Vom Rifugio Sapienza fährt eine Seilbahn bis auf gut 2.500 Höhenmeter. Den Gipfel darf man nur im Rahmen einer geführten Tour besteigen. Aber mitten im wirklich kalten Winter (es hatte so ca. 3°C auf der Höhe, wo ich war) bei dem vielen Schnee käme ich eh nicht auf die Idee, da hoch zu gehen…
Von den Plätzen auf der Südseite sieht man den rauchenden Gipfel nicht so gut – aber dafür relativ viel frische Lava und auch das, was sie auf ihrem Weg nach unten verschlungen hat.
Eigentlich wollte ich mir in einem der Dörfer rund um das Ätna-Massiv ein Plätzchen für die Nacht suchen – war aber komplett erfolglos.
Noto hatte ich mir eigentlich erst für die nächsten Tage überlegt, aber so beschloss ich, doch schon hin zu fahren. Ich steuerte den dortigen Stellplatz in einem Zitronenhain an (hier gibt es mehr Infos zum Stellplatz) und wurde von deren Shuttle gleich ins Zentrum gebracht, wo ich erstmal baff war. Ich hatte zwar gelesen, dass Noto auch zum barocken UNESCO-Welterbe zählte (wie Catania), aber so eine tolle Altstadt hatte ich nicht erwartet…
Und dann fand ich auch noch eine der besten Pizzen meines Lebens in der Casamatta: Tutto a crudo – also nur der Boden gebacken, Büffelmozzaralle, Schinken, Parmesan, Datteltomaten, Rucola, Olivenöl und Kräuter wurde alles ganz frisch belegt. Der Wahnsinn!
Der “Heimweg” war dann reichlich spooky: ich hatte eigentlich gehofft, noch irgendwo in einer Bar auf einen Espresso einkehren zu können. Aber alles dicht. Und keine Menschen mehr auf der Straße. Nachdem ich aus dem Zentrum raus war und den guten Kilometer zum Bus zurück lief, kamen mir die Straßenhunde immer näher und kläfften auch immer lauter… die letzten paar hundert Meter war es dann stockdunkel und der Müll an der Straße stank gewaltig. Noch dazu hatte es nur noch 2°C. Meine Stimmung war nicht die beste.
Tag 21: Mittwoch, 8. Januar 2020
Natürlich wollte ich mir Noto bei Tageslicht ansehen. Erstmal der Blick vom Rand der Altstadt:
Leider war das Wetter sehr diesig, die Fotos wurden deswegen nicht so toll…
Trotzdem schlenderte ich nicht nur entlang der Hauptachse, sondern zweigte auch in die Seitenstraßen ab, was mir tolle Blicke über die Dächer ermöglichte.
Und auch das lokale (teils sehr lautstarke) Leben konnte ich beobachten.
Eigentlich hatte ich überlegt, ein paar Tage auf dem Stellplatz zu bleiben, aber mir saß der Heimweg von letzter Nacht noch in den Knochen. Und bei Tageslicht sah der Müll vor dem Stellplatz auch schlimm aus.
Also beschloss ich, Noto zu verlassen und erst mal die Umgebung in Richtung Meer zu erkunden. Ich unterhielt mich aber noch ausführlich mit der Chefin Maria und den einzigen anderen Campern, einem Paar aus Ulm.
Als ersten Stopp steuerte ich das kleine Naturreservat Vendicari an – es war mir von mehreren Einheimischen empfohlen worden. Aber die meisten Zugänge waren geschlossen (nach 3 km Rüttelpiste), ein anderer war dann immerhin offen. Aber dort gab es über einer Lagune “nur” Vögel zu beobachten, was abgesehen von Hühnern leider nicht so mein Spezialgebiet ist. Auf dem Rückweg zum Bus unterhielt ich mich noch sehr lange mit einem Pärchen aus Israel, die auch etwas frustriert waren: vom Wetter, vom unspektakulären Reservat und von den wenigen geöffneten Restaurants…
Nächster Stopp war dann Marzamemi – ein altes Fischerdorf, das wirklich einen schönen Charme aussprüht. Das liegt vor allem an den Häusern, die gerade mal im Vintage-Style renoviert wurden. In einer Bäckerei aß ich ein Stück Pizza. Der Junior-Chef dachte, da ich die Bestellung in gebrochenem Italienisch aufgegeben hatte, dass er sich mit mir über Europa-Politik etc. in flottem Italienisch unterhalten könnte – ich stieß ordentlich an meine Sprachgrenzen. Aber ich glaube, er hatte eine vernünftige Einstellung.
Jetzt musste ich mich entscheiden, ob ich in der Region Noto bleiben sollte. Eigentlich wollte ich von dort mit dem Zug oder Fahrrad nach Syrakus fahren. Und außerdem hatte ich ein Tinder-Date mit einem netten Italiener in Noto geplant. Aber mein Frust übers kalte Wetter und den Müll allerorten war einfach zu groß. Ich beschloss, weiter an die Südküste zu fahren, und legte noch einen Stopp am südöstlichen Kap ein. Gegenüber der Isola delle Correnti ist der südlichste Punkt von Sizilien – aber selbst hier lagen Müllsäcke ohne Ende rum. Zwei Gärten weiter verbrannte der Hausherr mit 5 m hohen Flammen stinkend seinen Müll.
Ich gab also Gas und fuhr zum Campingplatz Aggricampeggio Capo Scalambri, wo wir letztes Jahr ja schon zehn Tage lang versumpft waren: Da wusste ich zumindest, dass mich ein Platz erwartete, auf dem ich mich wohlfühlen konnte.
Unterwegs fand ich eine Tankstelle, wo man mir ohne Diskussion den Gastank vollmachte (eigentlich ist in Italien LPG an den Tankstellen aus Steuergründen nur für den Fahrantrieb erhältlich). Der Tankwart erzählte mir, dass sein Vater gestern den letzten Arbeitstag in Deutschland hatte und jetzt zur Rente zurück nach Sizilien kommt. Er war für 40 Jahre in Bielefeld gewesen – ich konnte mir natürlich nicht verkneifen, ihm von der Bielefeldverschwörung zu erzählen 😉
Im Dunklen kam ich dann auf dem Campingplatz an und sicherte mir den Platz in der vordersten Reihe am Strand. Außer mir waren nur noch zwei andere Camper da…
Dieses Bild aus dem Hafen von Marzamemi verkörpert vielleicht meine heutige Stimmung am besten: schlechtes Wetter, aber irgendwie doch schön… Trotzdem bin ich mir im Moment nicht so ganz sicher, ob ich wirklich Lust habe, den ganzen Winter auf Sizilien zu verbringen. Diese Unmengen an Müll, rumpelnde Straßen, das deprimierende Wetter – alles blöd. Irgendwie vermisse ich die Türkei und überlege schon… Ach, jetzt warte ich mal ab, wie hier an der Südküste das Wetter wird. Jetzt hab ich ja zumindest erstmal wieder ein passables Basislager, wo ich die Erfahrung gemacht hab, dass man es echt aushalten kann.
Hallo Marc,
nun hat es uns doch nicht in Ruhe gelassen…
Auch und vor allem die kurzen Begegnungen stecken voller Inspirationen…
Lange musste ich noch über dein Fernfieber nachdenken.
Wie man hört und sieht, bringt das Leben auch ohne Plan, vor allem vielleicht sogar deshalb soviel entgegen.
Bleib weiter so weltoffen….
Es grüßen
Ines mit Jens
Ps.: … irgendwann wenn es dir einfällt…oder du eines auf deinen Reisen siehst, in deinen Begegnungen….
Dann bitte ein Gedicht…
Alles ganz ohne Verpflichtung
Hallo Ines, hallo Jens,
es war echt schön, dass wir uns in Noto auf dem Stellplatz dann doch noch so gemütlich unterhalten haben.
Mit dem Fernfieber hast Du recht – aber so ganz ohne Plan ist mein Leben sicher nicht, da gibt es schon eine gewisse Grundstruktur. Nur beim Reisen, da bin ich definitiv planlos 😉
Ja, das mit dem Gedicht finde ich eine schöne Idee. Da überlege ich schon!
Liebe Grüße aus Punta Secca,
Marc