30. April bis 2. Mai 2019
Tag 127: Dienstag, 30. April 2019
Die Nacht am IKEA in Ankara war erstaunlich ruhig. Das nahe Autobahnkreuz begann zwar mit dem Berufsverkehr zu rauschen, aber nicht wirklich störend. Übrigens: wir merken, dass wir in einer modernen Großstadt sind – nicht nur an den Leuten, die wir im Einkaufszentrum am Vortag beobachten konnten (deutlich moderner gekleidet, Haut und Tattoos werden gezeigt, der Anteil an Frauen mit Kopftuch geht zurück), nein, auch wir fielen überhaupt nicht mehr auf: keiner interessierte sich trotz offener Schiebetür für WHATABUS und uns, die Leute hetzten einfach nur vorbei, ohne reinzuschauen. Das ist echt mal wieder angenehm!
Nach dem Kaffeetrinken war die Rushhour vorbei und wir fuhren ins Zentrum. In der Nähe der Burg fanden wir einen Parkplatz, wo wir WHATABUS abstellten.
Zuerst gingen vorbei am Hethitermuseum (das toll sein soll, also vielleicht beim nächsten Ankara-Besuch) auf den Burgberg: ziemlich touristisch mit Verkaufsständen, aber wir wurden in Ruhe gelassen. Durch Gassen mit alten Häusern ging es ganz nach oben mit Rundblick über die gesamte Hauptstadt Ankara.
Im Hof der Burg spielte eine Musikgruppe und die coolen Teenager einer Schulklasse tanzten doch tatsächlich ganz locker ihren traditionellen Tanz dazu – das hatte Atmosphäre.
Dann nahmen wir uns einen Spaziergang über einfach ca. fünf Kilometer quer durchs Zentrum vor: zu Atatürks Mausoleum Anıtkabir.
Uns begegneten viele Geschäftsleute mit Anzug und Krawatte sowie schicke Ladies beim Shopping. In einem Restaurant stillten wir unterwegs unseren Hunger.
Am Mausoleum mussten wir kurz in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle warten. Viele rausgeputzte SchulabsolventInnen kamen für ihren Abschluss hierher, v.a. für Fotos.
Durch den Friedenspark mit Bäumen aus über 20 Ländern umrundeten wir erst den großen Bau und kamen so zum Löwenweg, der gesäumt von Löwenstatuen zum Haupthof der Anlage führt.
Das Mausoleum selbst ist in einem riesengroßen Bau, der einem antiken Tempel nachempfunden ist. Wir fanden die gesamte Anlage mächtig beeindruckend. Es ist selbst für uns ziemlich ergreifend, wie die Türken den wichtigsten Mann der Türkei würdigen – Mustafa Kemal Atatürk war ein mächtiger, intelligenter und weltoffener Mann, der dieses Land in die Moderne führte.
Übrigens besuchen jedes Jahr über 3 Mio. Menschen das Mausoleum, davon nicht mal zehn Prozent Ausländer.
Das Wetter war richtig sommerlich und wir kamen gut ins Schwitzen. Dafür belohnten wir uns nach dem Besuch von Anıtkabir mit einem Besuch in einem nahen Café.
Anschließend ging es auf einer anderen Route wieder mitten durch die Innenstadt, dieses Mal kamen wir in ein paar Einkaufsstraßen.
Ich war schon ordentlich fertig und freute mich immer über eine Sitzgelegenheit, während Selena noch fröhlich die Regale durchstöberte. Immerhin fand ich eine neue Tasche für mein Notebook. Auch beim Shoppen hatten wir als Touristen unsere Ruhe und fielen kaum auf – anonyme Großstädte haben ihre Vorteile.
Nachdem wir über 15 Kilometer gelaufen waren, kamen wir zurück zum Parkplatz und fuhren raus aus der Stadt. Vorbei an Freizeitparks und Kartbahnen kamen wir an den Stausee Kurtboğazı Barajı und suchten uns am Rand eines Dorfs in der Pampa einen Platz für die Nacht.
Tag 128: Mittwoch, 1. Mai 2019 (Tag der Arbeit, auch in der Türkei)
In der Natur gefiel es uns so gut und die Sonne schien wunderbar, so dass Selena zum Start in den Tag der Arbeit erst mal ein Fotoshooting einberief.
Danach nahmen wir uns vor, so wie die Einheimischen den Tag im Grünen mit Picknicken bzw. Grillen zu verbringen. Also hielten wir im nächsten größeren Ort und kauften ein. Danach wollten wir uns einen Platz suchen, wo wir grillen und den Rest des Tages arbeiten könnten. Aber irgendwie kam nicht der richtige Platz und so landeten wir wieder an einer der Autobahnen und frühstückten einfach schnell im Bus an einer Tankstelle.
Wir bogen nach Safranbolu von der Autobahn ab. An einem der braunen Wegweiser bogen wir von der Durchgangsstraße ab: “Hadrianopolis Antik Kent” – echt praktisch dieses Schilder, dann fahren wir mal zur Ausgrabung. Nach ein paar Kilometern kamen wir am Parkplatz an und waren weit und breit das einzige Auto. Eine Halle mit einem riesengroßen Mosaik war leider zugesperrt. Also erkundeten wir die Ausgrabungen und fanden hinter einem Zaun ein paar Ruinen samt Bögen und so.
Wir drehten eine Runde durchs Gelände als auf einmal ein Mann auf uns zulief: der Wärter. Er hatte uns wahrscheinlich auf den Überwachungskameras entdeckt und sperrte uns die Halle auf. Die Mosaiken in einer alten, frühchristlichen Kirche waren sehr beeindruckend.
Er versuchte uns ein paar Sachen zu erklären. Dann bestand er darauf, uns durchs Gelände zu führen und wir kamen an ein paar Ruinen und Gräber, die gut versteckt lagen und die wir ohne ihn wohl eher nicht gefunden hätten.
Von der Ausgrabung aus hatte Selena schon eine Straße in die nahe Landschaft entdeckt, der wir dann folgten und einen wunderschönen Platz am Rand eines Kiefernwaldes mit Ausblick über die Gegend fanden.
Wir stellten WHATABUS dort ab und packten die Stühle aus (ganz so wie die picknickenden Türken das auch immer machen). Wir genossen die Sonne und überlegten uns, statt Strand am nächsten Tag einfach hier einen Ruhetag zum Arbeiten einzulegen. Aber der Wetterbericht für Donnerstag klang eher schlecht – naja, wir werden sehen.
Tag 129: Donnerstag, 2. Mai 2019
Leider hatte der Wetterbericht recht, naja fast: es war noch schlechter als angekündigt, schon beim Aufwachen regnete es. Eine Schafherde wurde dabei um unseren Bus getrieben.
Wir ließen den Tag trotzdem gemütlich mit Kaffee und ein bisschen Arbeit an den Notebooks angehen, bevor wir losfuhren. Bei der Durchfahrt des nächsten Dorfes fielen uns direkt die vielen parkenden Autos entlang der Straße auf – es war Markt! Da ließen wir uns nicht lange bitten, unsere frischen Obst- und Gemüsevorräte waren so gut wie leer und durften aufgefüllt werden.
Erstes Ziel des Tages war das türkische Rothenburg ob der Tauber: Safranbolu, eine Stadt voll mit Fachwerkhäusern, seit 25 Jahren UNESCO-Welterbe.
Wegen Wochentag und durchwachsenem Wetter mussten wir uns die Stadt mit nur wenigen anderen Touristen teilen. Aber an der reinen Menge an Verkaufsständen konnten wir uns gut vorstellen, was zum Beispiel am gestrigen Maifeiertag hier los gewesen sein könnte.
Alte unrenovierte Fachwerkhäuser stehen neben top renovierten, zu Luxushotels ausgebauten Gebäuden.
Wir tranken noch gemütlich in einem Café Tee und schafften es gerade noch zum Bus, bevor ein richtiger Platzregen einsetzte. Wir überlegten, wohin wir fahren könnten: wir hatten nur noch eine Woche Zeit, bevor wir wieder in Bayern sein mussten. Die Städte Istanbul und Bursa standen definitiv noch auf unserer Lister. Da die Schwarzmeerküste nicht mehr weit war, legten wir noch einen kurzen Abstecher dorthin ein und gaben den Ort Zonguldak ins Navi ein. Zuerst führte uns die Fahrt durch ein Flusstal mit genialen Ausblicken in die umliegenden Berge und Täler. Wolken waberten durch verschieden grün gefärbten Wälder. Diese Region war die waldigste, die wir seit langem gesehen haben.
In Zonguldak angekommen fanden wir alle unsere Vorurteile über die Schwarzmeerküste wieder mal bestätigt: eine eher hässliche Stadt am Meer voll von Industrie und Werften mit ordentlicher Luftverschmutzung. Ein Stück außerhalb der Stadt hielten wir an einem Strand. Aber nur um einen Platz am Meer zu haben, wollten wir nicht direkt unterhalb der Schnellstraße an einem total dreckigen Sandstrand stehen und fuhren schnell weiter.
Die Schnellstraße führte wieder nach oben in die Berge und wir nahmen eine Nebenstraße, um noch mal küstennah abseits von großen Orten nach einem schöneren Strand zu suchen. Die Straßen waren abenteuerlich und wir mussten an die bulgarische Schwarzmeerküste zurückdenken (hier der Bericht vom letzten Jahr).
Da die Küste sehr steil war, fanden wir nur eine einzige Bucht, wo man bis ans Wasser fahren konnte, aber auch dort gefiel es uns nicht, denn selbst hier waren die meernahen Plätze mit Fabriken verbaut.
Zurück auf der Schnellstraße regnete es wieder so richtig und wir beschlossen, uns im Landesinneren ein Plätzchen zum Kochen und Schlafen zu suchen. Durch riesengroße Haselnussanbaugebiete kamen wir in der hügeligen Landschaft gut voran. Hier werden übrigens zwei Drittel aller Haselnüsse weltweit geerntet, also wahrscheinlich auch für Eure Nussschokolade und Nutella.
Kurz bevor wir bei Düzce auf die mautpflichtige Autobahn kamen, bogen wir in eine landwirtschaftliche Gegend ab und fanden einen Platz. Das Rauschen der Autobahn war zwar zu hören, aber egal.
Nachdem wir Spaghetti Bolognese gekocht und geduscht hatten, lagen wir gerade im Bett, als draußen ein Auto mit Blaulicht vorfuhr und kurz die Sirene anschaltete.
Ein Gruppe von sechs Gendarmen teils mit Maschinengewehren war ausgestiegen und klopfte an den Bus. Ich zog mir schnell eine Hose an und öffnete die Schiebetüre. Unsere Pässe wurden kontrolliert und das Businnere von außen interessiert betrachtet.
Der Chef der Truppe rief einen Freund oder Kollegen an, der fließend Deutsch sprach und dolmetschte. Jemand hätte angerufen, da wir hier als Fremde in der Landschaft rumstanden. Natürlich durften wir bleiben. Wie lange wir denn stehen wollten? Nur damit sie es den Anrufern sagen könnten, die würden nämlich ganz sicher wieder anrufen. Also alles gut, eine ganz normale Kontrolle. Sie verabschiedeten sich freundlich und wir hatten eine wunderbar ruhige Nacht.