16. bis 18. April 2019
Tag 113: Dienstag, 16. April 2019
Nach der zweiten Nacht in Mardin (hier findet Ihr den vorherigen Bericht aus Urfa und Mardin) standen wir früh auf, um einfacher auf dem Großparkplatz ausparken zu können und auch um ein ganzes Stück an diesem Tag weiterzufahren. Als wir die Rollos öffneten, hatten wir kaum Ausblick. Nachts hatte es angefangen zu regnen und dichter Nebel hing in der Stadt. Wir tranken noch Kaffee und machten WHATABUS startklar. Selbst auf der Straße durch die Altstadt war kaum Sicht, außerhalb von Mardin wurde es nicht besser – und der Regen hörte auch nicht auf.
Als ersten Zwischenstopp des Tages hatten wir uns die Ausgrabungen von Dara-Anastasiupolis vorgenommen und fuhren dafür noch näher an die Grenze zu Syrien. Erst hielten wir an einer ersten Ansammlung von künstlichen Höhlen für eine Nekropole, die vor der Stadt lag. Ganz nett.
Dann kamen wir zu einem eingezäunten Bereich, ebenfalls eine Nekropole. In einer der dortigen Höhlen waren hunderte von Skeletten gefunden worden und die liegen bis heute hier. Sehr beeindruckend.
Danach ging es in die eigentliche antike Stadt Dara-Anastasiupolis. Wir hatten keine großen Erwartungen und fuhren in das heute noch bewohnte Dorf. Wir folgten der Beschilderung zu einer Zisterne, die man von außen kaum erkennen konnte. Die Aufseherin erklärte uns, dass wir uns umdrehen müssten. Oben aus dem bewohnten Haus, das direkt über dem Eingang lag, grüßte uns ein kleiner Junge.
Wir gingen also in den Keller des Hauses und dort viele steile Treppenstufen nach unten. Wir waren sofort baff: Die Zisterne ging mehrere Meter tief in den Boden und war von den Römern mit einer sehr durchdachten gemauerten Bogenkonstruktion errichtet worden. Dazu wirkte die moderne orangen gehaltene Beleuchtung sehr gut – wow!
Das war mit dem Nemrut Dagi eines unserer absoluten Highlights dieser Tour!
Dass wir noch dazu komplett alleine waren, war der Jackpot. Beim Rückweg kam uns ein prall gefüllter Reisebus entgegen, da hatten wir aber Glück!
Wir fuhren weiter durch das Dorf und hielten an einer weiteren antiken Struktur, wir vermuteten ebenfalls eine Zisterne, leider war sie nicht beschildert.
Im ganzen Dorf wawren zwischen den ärmlichen Hütten und Tieren noch zahlreiche antike Überreste zu erkennen, hier gab es so viel zu entdecken. Doch wir erklärten die Zisterne für unser absolutes Highlight heute und hatten aufgrund des schlechten Wetters wenig Lust durch das Dorf zu laufen.
Wir verließen die antike Stätte und für die Weiterfahrt zum Kloster Mor Gabriel mussten wir noch näher an die Grenze zu Syrien fahren – und zwar auf die Straße, die wirklich genau entlang der Grenze verläuft. Wir sahen die 3 m hohe Betonmauer, die ab 2014 mit Geldern der Europäischen Union gebaut worden war, um den Flüchtlingsstrom aus Syrien zu unterbinden. Wir sahen viele Wachtürme und Militärposten. Nur einmal mussten auch wir durch einen Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte fahren, wurden aber durchgewunken.
Nach knapp 40 Kilometern bogen wir ab von der grenznahen Straße in Richtung Kloster Mor Gabriel. Wir folgten bei regnerischem Wetter einem Tal, entlang des Flusses gab es viele Picknick-Restaurants mit Sitzgelegenheiten direkt auf dem Wasser – leider alle geschlossen. Wir hielten am Straßenrand zum Frühstücken.
Als wir am Kloster Mor Gabriel ankamen, machte der Regen eine Pause. Das syrisch-orthodoxe Mor Gabriel ist eins der ältesten christlichen Klöster der Welt, es wurde bereits im Jahr 397 gegründet. Die Anlage ist sehr gut renoviert und von einer neu gebauten Mauer umgeben.
Um ins Innere zu gehen, mussten wir uns einer Führung anschließen – auf Türkisch, deswegen verstanden wir leider nichts, konnten die Atmosphäre aber in uns aufsaugen.
Noch heute leben und praktizieren dort Mönche und Nonnen.
Durch atemberaubende und weite Landschaft fuhren wir weiter nach Hasankeyf.
Bei der Ortseinfahrt wurden wir zum ersten Mal seit langem wieder kontrolliert – aber als “Karavan” weckten wir höchstens die Neugier der Soldaten, die aber keine Lust auf eine Durchsuchung hatten.
Wir werden wohl zu den letzten Besuchern des alten Dorfes gehören: es soll noch in diesem Sommer geflutet werden, der Staudamm ist bereits fertig und die Verlegung der Infrastruktur und des kompletten Dorfes in vollem Gange. Wir hielten am noch existierenden Viewpoint nach der Brücke über den Tigris und sahen zumindest die alte Burg, die wahrscheinlich nicht geflutet wird, sondern bald aus dem neuen Stausee rausschauen wird.
Etwas oberhalb stand schon eine komplett neue Stadt mit uniformen Häusern, die recht luxuriös wirkten. Die Straßen dazwischen wurden noch angelegt. Dorthin waren einige der historischen Strukturen aus dem zu überflutenden Bereich verlegt worden. Wir konnten mit WHATABUS direkt vor dem Zeynel Bey Türbesi parken.
Irgendwie skurril, dass eine alte Ausgrabungsstätte verlegt wird und hier wohl bald eine neue Touristenattraktion entstehen wird. Ob wir in zwei Jahren nochmal so nah an diesem Turm parken können?
Auf der Weiterfahrt waren wir wieder fasziniert von dieser wunderbaren Landschaft entlang des Flusses. In Amerika wären hier wahrscheinlich überall Nationalparks und hier ist es einfach ganz “normale” Landschaft.
Von Hasankeyf fuhren wir nach Batman, das in den 1950er Jahren noch ein Dorf war und durch Ölfunde und Raffinerien zur Großstadt mit einer halben Million Einwohner angewachsen war. Das Zentrum wirkte recht gesichtslos und wir landeten dort nur im Stau.
Einige Kilometer nördlich der Stadt stoppten wir an der fast 1.000 Jahre alten Malabadi-Brücke und bestaunten die Konstruktion, die bis vor 70 Jahren weiträumig die einzige Möglichkeit im Großraum war, den Fluss zu überqueren. Seit Urfa wurden wir übrigens schon öfter von Kindern angebettelt, manchmal sehr forsch und frech, manchmal schüchtern. Eine unangenehme Situation ist es jedesmal. Auch hier an der Brücke erhofften sich die Jungs ein paar Taler von den Touristen.
Weiter ging es in Richtung Vansee durch das kurdisch geprägte hügelige Land, wo an sämtlichen strategisch wichtigen Punkten Wachposten des türkischen Militärs installiert waren. Auf über 1.200 Höhenmetern stoppten wir am großen Ausflugsrestaurant und Truck Stop von Buzlupınar, um dort zu essen und auf dem Parkplatz zwischen LKWs die Nacht zu verbringen.
Das Essen im Restaurant war lecker und wir wurden als Exoten freundlichst von den Kellnern bedient.
Tag 114: Mittwoch, 17. April 2019
Obwohl am Truck Stop einiger Trubel herrschte und die Nacht nicht gerade leise war, schliefen wir bestens. Wir fuhren die restlichen Kilometer zwischen schneebedeckten Bergen bis an den Vansee, den wir in der Stadt Tatvan erreichten.
Dort parkten wir mitten in der Stadt, um ein paar Besorgungen zu erledigen.
Es gab tatsächlich ein Einkaufszentrum, das jedoch den Charme der 1970er Jahre verstrahlte. Aber es gab einen recht großen Carrefour-Supermarkt und sogar einen Foodcourt. Die Restaurants dort waren zwar mit Selbstbedienung, man wurde aber am Tisch von den netten Mitarbeitern bedient. Wir entschieden uns für Kumpir, die türkische Ofenkartoffel, und Köfte. Zum Nachtisch gab es noch eine üppige süße Waffel – sehr lecker!
Danach schlenderten wir durch das Stadtzentrum bei mäßigem Wetter, es war in der Höhe von 1.700 m doch recht frisch und auch leicht regnerisch. Wir fanden einen Berber, wo ich mir eine Rasur samt Verwöhnprogramm gönnte.
Nach dem Stadtrundgang wollten wir versuchen zu einer der größten Calderas der Welt zu fahren, die durch den Vulkan Nemrut (3.050 m üNN) gebildet wurde. Man darf diesen Berg aber nicht mit dem gleichnamigen Nemrut verwechseln mit den großen Figuren, wo wir vor ein paar Tagen waren. Leider kamen wir nicht weit, war sogar die neugebaute Zufahrtsstraße in den Krater schon nach wenigen Metern total zugeschneit, es gab nicht mal Fahrspuren, die durch den Schnee gingen. So entschieden wir uns dagegen, Schneeketten aufzuziehen und es doch zu probieren. Sicherheit ging da für uns vor.
Auch die zweite Zufahrt war nach wenigen Metern komplett ungeräumt, weswegen wir wirklich aufgaben und uns diesen Berg für ein andermal aufhoben.
Wir wichen aus nach Ahlat am Westufer des Vansees, wo wir zuerst an der osmanischen Burg parkten und einen Spaziergang vorbei an total lieben Hühnern machten. Von der Zitadelle war nicht mehr viel zu sehen. Innerhalb der Mauern lagen aber zwei Moscheen, die uns vom Baustil (abgesehen vom Minarett) an armenische Kirchen erinnerten.
Ahlat ist bekannt für seine alten Friedhöfe und bemüht sich deswegen auch um Aufnahme ins Welterbe der UNESCO. Riesengroße Flächen stehen voll mit hohen Grabsteinen, Grabtürmen und Hügeln aus seldschukischer Zeit, die Monumente stammen also aus dem 13. bis 16. Jahrhundert.
Auch hier kamen uns wieder ein paar Halbstarke entgegen, die “Money, Money!” forderten, uns aber schnell in Ruhe ließen, als sie merkten, dass wir ihnen nichts gaben.
Wir fuhren wieder zurück nach Tatvan, um entlang des Südufers zur bekanntesten armenischen Kirche auf einer Insel im Vansee zu fahren. Kurz vor dem Fähranleger fanden wir direkt am Seeufer einen Campingplatz, der sogar geöffnet hatte, auch wenn er noch mitten in den Vorbereitungen für die Sommersaison war. Besonderer Clou: man hat einen ganz tollen Blick auf die “Kirche zum Heiligen Kreuz” auf der Insel Akdamar.
Wir durften uns als einzige Gäste natürlich einen Platz aussuchen und bestellten für den nächsten Morgen zwei Brote beim Chef. Danach gingen wir früh ins Bett.
Tag 115: Donnerstag, 18. April 2019
Nachdem wir ja schon früh ins Bett gegangen waren, schliefen wir auch noch bis in den frühen Vormittag hinein aus. Das bestellte Brot hing samt frischem Käse schon am Außenspiegel.
Wir frühstückten gemütlich und genossen den Blick über den See auf die Insel.
Das Wetter war sehr gut, meist sonnig, so gingen wir bald los in Richtung Fähranleger. Unser netter Campingplatz-Chef ließ es sich nicht nehmen, uns zu den Booten zu fahren.
Auf dem Schiff kamen wir mit einem Iraner ins Gespräch, der aus seinem Heimatland nach Australien geflüchtet war und jetzt seine Familie in der Türkei wieder traf – ein sehr interessantes Gespräch!
Selena knipste derweil ein paar Bilder vom Außendeck. Das Wetter hielt sich so phantastisch, die Sonne wärmte schön und das Panorama war genial.
Auf der Insel angekommen waren wir ganz baff von der “Kirche zum Heiligen Kreuz”, die vor ca. 10 Jahren von den türkischen Behörden renoviert worden war.
Davor hatte man die Kirche über ca. 90 Jahre zerfallen lassen und sogar als Zielscheibe für Schießübungen des Militärs genutzt.
Besonders bemerkenswert sind die Reliefs an der Außenwand, die nach der Renovierung wieder bestens zu erkennen sind.
Nach der Renovierung hatten die Behörden sich übrigens geweigert, das Kreuz wieder auf die Kirche zu setzen – sie war nur noch ein Museum. Bei unserem Besuch war aber ein Kreuz auf der Kuppel.
Wir genossen die idyllische Insel, die gerade mit einer wunderschönen Mandelblüte glänzt und machten viel zu viele Bilder.
Nach einer Stunde mussten wir wieder am Schiffsanleger sein, um zurückzufahren.
Wir machten uns auf dem Campingplatz noch einen gemütlichen Nachmittag im Bus und kochten zum Abendessen Pasta mit Bolognese-Soße (wir hatten schon lange nicht mehr Italienisch oder was anderes “nicht-türkisches” mehr gegessen – immerhin mit türkischem Hackfleisch.
Morgen wollen wir früh raus, es gibt noch so viel zu entdecken.