12. bis 13. April 2019
Tag 109: Freitag, 12. April 2019
Erst mal noch ein kleiner Nachtrag zum Vorabend: Ein paar jugendliche Schüler meinten noch, uns ein bisschen ärgern zu müssen: nachdem sie mit der Faust auf WHATABUS geschlagen hatten, lungerten sie noch in der Gegend rum und riefen wahrscheinlich die Polizei wegen uns Fremden. Die Beamten kamen dann auch und kontrollierten uns, wobei die beiden Good Cop und Bad Cop mit uns spielten. Vor allem unsere Einreisestempel waren von Interesse bei der Kontrolle, hatten sie Bedenken, wir würden uns unberechtigt im Land aufhalten. Wir hatten im letzten Jahr einfach zu viele türkische Einreisestempel erhalten. Wir zeigten ihnen die aktuellen Stempel, somit war das Problem geklärt. Sie baten uns, doch bitte wieder direkt auf dem Parkplatz der Shopping Mall zu übernachten. Der Security würden sie deswegen auch Bescheid geben.
Gesagt, getan. Wir parkten also direkt vor der Mall und zum Abendessen gingen wir wieder in den Food Court, um bei der Tavuk dünyası westliches Hühnchengeschnetzeltes mit Nudeln zu essen.
Der Sicherheitsmitarbeiter lief nachts immer wieder am Bus auf seiner Streife vorbei und schrieb uns sogar über Facebook Nachrichten, dass die Mall uns willkommen heißt.
Am Morgen mussten wir vor der Weiterfahrt noch mal ins Einkaufszentrum, da der Mikroschalter der Duscharmatur den Geist aufgegeben hatte. Im Praktiker (ja, den gibt es auch in der Türkei) kauften wir einen Schalter. Den baute ich ein, während Selena noch etwas am Notebook arbeiten musste.
Auf teils sehr holprigen Straßen ging es zur römischen Chabinas-Brücke (Cendere köprüsü).
Sie hat eine der größten Bogenspannweite einer noch erhaltenen römischen Brücke.
Gegen Hochwasserfluten gibt es noch einen zweiten kleinen Bogen. Dort soll es übrigens auch einen Campingplatz geben, der jetzt im Winter aber leider noch geschlossen war.
Weiter ging es durch die fantastische Berglandschaft, bis wir die Zufahrt zum Mount Nemrut erreichten.
Diese ist komplett gepflastert, sehr breit und größtenteils recht neu, die Steigungen waren ordentlich, sie lagen meist bei deutlich über 10 %. Über 1.500 m erwarteten uns dann erste Schneefelder.
Bis auf ein paar einzelne Geröllbrocken ließ sich die steile Auffahrt recht locker fahren.
Die teils meterhohen Schneewände an der Straße entlang waren beeindruckend.
Oben angekommen auf dem neuen Parkplatz am Visitor Center wurden wir gleich gefragt, ob wir übernachten wollten. Wir durften deswegen auf dem ebenen Platz für die Shuttlebusse parken. Wir hatten ein nettes Gespräch mit einem der Busfahrer, der noch nicht mal was verkaufen wollte. Ihm war einfach wichtig, dass wir uns wohlfühlten. Die Fahrt für die letzten zwei Kilometer mit dem Shuttle kostete übrigens gerade mal 5 Türkische Lira, zum aktuellen Kurs deutlich weniger als 1 Euro.
Wir beschlossen aber aufgrund der zahlreichen kalorienreichen Ausrutscher der letzten Zeit, die Straße zu Fuß hoch zu laufen. Wir betraten das Ausgrabungsgelände und mussten teils durch den Schnee stapfen.
Leider war wegen des Schnees auch nur die Ostterrasse erreichbar, die Nord- und Westterrasse waren deswegen nicht zugänglich.
Wir liefen rund um den Tumulus, einen künstlich aufgeschütteten Grabhügel, der bis auf 2.150 m ragt. Dann erreichten wir die berühmten Figuren mit den davorliegenden Köpfen, die gerade so aus dem tiefen Schnee schauten.
Wir waren den Großteil der Zeit oben alleine und genossen bei mildem Wetter auch den Ausblick auf das Stausee-System entlang des Euphrat (der Atatürk-Damm liefert übrigens 10% des türkischen Strombedarfs).
Wir kamen mit zwei Jungs ins Gespräch, beide Deutsch-Türken, die einen zweiwöchigen Roadtrip mit einem Mietwagen von Istanbul aus machten. Sie gaben uns sehr gute Einblicke in das Leben vor Ort, da beide noch Familie im Osten Anatoliens haben.
Irgendwann traten auch wir den Rückweg zum Bus an. Morgen wollen wir unbedingt zum Sonnenaufgang hier oben sein.
Zurück am Visitor Center bestellten wir auf der Aussichtsterrasse einen türkischen Kaffee und das Servicepersonal dreht extra für uns laute Techno-Musik auf – irgendwie surreal bei dem Ausblick.
Im Bus kochten wir uns eine türkische Tütensuppe (die überraschend gut schmeckt) und Menemen (türkisches Omelette, das Selena immer perfekter hinbekommt – hier unser Rezept) und gingen früh ins Bett, wollten wir doch zum Sonnenaufgang wieder oben sein.
Auf den heutigen Sonnenuntergang oben an den Statuen verzichteten wir, da auf der Ostterrasse die Ausleuchtung durch die Sonne eher schlecht wäre.
Tag 110: Samstag, 13. April 2019
Um 4:30 Uhr klingelte unser Wecker und wir zogen uns schnell an. Ein kalter Wind pfiff uns um die Ohren. Wir fuhren mit dem Shuttle hoch.
Dann wurde es kritisch. Da es Minusgrade hatte, war der vortags noch weiche Schnee steinhart gefroren und vor allem die Sohlen meiner Wanderschuhe hatten auf dem Eis keinen Halt – für mich war es wirklich eine Qual. Aber auch die anderen Besucher taten sich schwer.
Wir kamen als erste auf der Terrasse an. Zum Sonnenaufgang waren wir dann gut 20 Touristen – im Sommer sind es sicherlich viel mehr.
Der Wind war heftig, aber dafür hatten wir fast wolkenlosen Himmel. Über dem Atatürk-Stausee ging die Sonne auf und tauchte die Figuren in ein leuchtendes Morgenrot. Einfach genial!
Wir harrten noch ein bisschen länger als die anderen Touristen im eisigen Wind aus, um in aller Ruhe zu fotografieren. Wir hatten extra unsere Spiegelreflexkamera dabei, um die Köpfe schon ranzuzoomen. Viele Touristen scherten sich nämlich nicht um die Absperrung und stapften munter zwischen den Köpfen oder auch auf den Köpfen umher – was tut man nicht alles für ein tolles Bild – schrecklich!
Schließlich wurde auch uns zu kalt, Selenas Finger waren vom Fotografieren schon steif und wir freuten uns auf den warmen Bus.
Der Abstieg wurde dann echt gefährlich. Mit meiner Höhenangst hatte ich keinerlei Spaß und rutschte zum Teil auf dem Hintern nach unten. Vor uns stürzte ein Guide auf dem Glatteis und schlug mit dem Hinterkopf auf, aber gottseidank keine Verletzungen.
Zurück am Bus genossen wir nochmal die fabelhafte Aussicht von unserem Nachtplatz.
Wir verabschiedeten uns am Besucherzentrum von den Shuttle-Busfahrern und fuhren wieder nach unten in die Wärme. Übrigens, so sah der Haupteingang vom Besucherzentrum aus – unpassierbar – deswegen mussten alle außenrum über die Terrasse ins Gebäude laufen. Uns erinnerte dieser Anblick ganz stark an unser Nordkap Abenteuer, wo wir vorletzten Winter auch vor so einer Schneewand am Besucherzentrum standen.
Etwas weiter unten in einem kleinen Dorf hielten wir zum Frischwassertanken.
An einer Moschee gab es eine Quelle, wo wir dank Wasserdieb unseren Tank wieder füllen konnten. Übrigens überprüfe ich die Wasserqualität mit einem Glas um zu sehen, ob das Wasser sauber war und schmeckte.
Während wir warteten bis der Tank voll war, schenkte ein kleines Mädchen Selena eine selbst geflochtene Blumenkette.
Auf unserer Weiterfahrt passierten wir eine hoch moderne Brücke über den Euphrat, wo wir direkt an einem nagelneuen Picknickplatz hielten um gemütlich zu frühstücken. Bis vor kurzem musste man hier noch mit der Fähre das Wasser überqueren.
Wir suchten uns ein Plätzchen abseits des Wochenendtrubels, trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen? – fielen wir wieder auf wie bunte Hunde und wurden neugierig betrachtet und freundlich begrüßt.
Kurz vor Urfa fuhren wir zur Ausgrabung Göbeklitepe und waren überrascht, wieviele Besucher auch hierher wollten – das Parkchaos war entsprechend.
Wir fanden aber ein Plätzchen und liefen mit den vielen anderen Besuchern in die Ausgrabung.
Göbeklitepe wurde wohl schon 10.000 v.Chr. gegründet, erst um 1990 entdeckten Archäologen die tatsächliche Bedeutung dieser Stätte.
Bisher ist noch sehr wenig ausgegraben (noch nicht einmal 2%). Unter einem modernen Schutzdach kann man mehrere der ausgegrabenen Häuser bewundern. An vielen der Steinoberflächen sieht man eingemeiselte Tierfiguren.
Die gesamte Anlage ist weitläufig und wunderschön angelegt. Man sieht weit ins Land und kann sogar Syrien erahnen.
Der Tag war natürlich noch nicht vorbei – was wir sonst noch in Urfa und Umgebung erlebt haben, gibt’s in Kürze im nächsten Tourbericht.
Moin ihr 2, mit Spannung habe ich auf euren Bericht vom Nemrut Dagi gewartet. Ihr habt mich nicht enttäuscht !
Wir waren 1988 da oben,mit unserem T2 Bulli,mit satten 50 PS, Strasse gepflastert gab es nicht,es war eine staubige Piste, Besucherzentrum auch nicht. Wir konnten bis ganz oben durchfahren und in abenteuerlicher Schräglage parken.
Zum übernachten fuhren wir zum Dorf am Strassenrand,leider gab es keinen Sonnenaufgang zu sehen,es war so nebelig das wir keine 5m sehen konnten.
Ich wünsche euch eine gute, pannenfreie Weiterreise.
Grüße Reinhold
Hallo Reinhold,
das freut uns sehr, dass Du den Bericht schon erwartet und dann auch gleich gelesen hast.
Und ganz lieben Dank für die Einblicke in Deine damalige Tour, das klingt schon sehr interessant und plausibel. Der Parkplatz ganz oben existiert noch (darf aber nicht mehr genutzt werden) und ist echt ordentlich schief. Der ist aber zwischenzeitlich auch gepflastert worden.
Und das Wetter dort ist echt unberechenbar. Wir hatten viel Glück, dass wir Sonne oben hatten.
Viele liebe Grüße von kurz vorm Van Gölü,
Marc und Selena