19. bis 24. August 2015
Nach dem Taubertal Festival stand mit einer kurzen Verschnaufpause schon wieder das nächste Festival an: das Chiemsee Summer Festival 2015, das noch dazu gleich für fünf Tage angesetzt war, von Mittwoch bis Sonntag. Da wir aus dem umfangreichen Line-Up gerade die Bands sehen wollten, die direkt zur Eröffnung (Danko Jones), in der Mitte (Against Me!) und ganz zum Schluss (Bad Religion) spielten, blieb uns auch nicht viel anderes übrig, als von Anfang bis Ende dabei zu sein.
Im Vorfeld hatten wir viel vom Verkehrschaos der Vorjahre gehört, deshalb machten wir uns am Mittwoch schon zeitig auf in Richtung Übersee – von München regulär gerade mal eine Stunde Fahrtzeit. Wir fuhren also mittags los und kamen fast staufrei bei der Presseregistrierung an. Danach suchten wir den fast perfekt ausgeschilderten Crew-Parkplatz, auf dem wir mit WHATABUS campen durften. Aus unserem Besuch beim Taubertal Festival hatten wir gelernt, dass ein Vorzelt bei Sonne und Regen absolut Sinn macht. Also hatten wir uns einen Coleman Event Shelter gekauft, den wir jetzt erstmals aufbauten. Das ging ziemlich einfach, fast schon ein Kinderspiel.
Wir relaxten noch ein bisschen vor WHATABUS, lernten unsere Nachbarn kennen: die Security der Main Stage, sehr entspannte Truppe aus Hamburg, und die Fotografen vom Radio Bayernwelle.
Dann durfte Danko Jones als erste Band das Festival auf der Mainstage “Wilder Kaiser” eröffnen. Mr. Danko Jones war beim Betreten der Bühne doch etwas erstaunt, dass sich recht wenig Publikum eingefunden hatte. Er zündete trotzdem wie gewohnt sein Rock’n’Roll-Feuerwerk und zeigte, was guter Sound ist.
Da das Wetter noch nicht so richtig berauschend war, machten wir noch mal eine Pause in unserem Camp, bevor wir zum Auftritt der Dropkick Murphys wieder aufs Festivalgelände zurückkehrten. Der Sound war leider gar nicht toll, also gingen wir ins Zelt “Hochgern”, wo die schwedische Truppe Hoffmaestro spielte: wir waren überrascht, was da abging. Guter Sound, tolle Stimmung. Da wir uns beim Taubertal ja schon den Auftritt von Kraftklub hatten entgehen lassen, gingen wir danach wieder zur Hauptbühne. Aber ganz ehrlich: wir blieben nicht lang, was nicht nur am Regenwetter lag. Uns war der Sound von KK etwas zu eintönig.
Am Donnerstag nutzten wir das durchwachsene Wetter, um zu arbeiten. Dank dem neuen Vorzelt wurden wir nicht naß und die Solaranlage lieferte auch genug Strom für unsere Notebooks.
Wir rafften uns dann trotz Regen auf und gingen zum Auftritt von Cro. Ich würde mal sagen, ganz nett, kam mir aber mit meinen 40 Lebensjahren unter all den Teenies sehr alt vor. Selena fand die Show recht gut.
Nach Cro gab es mal einen krassen Kulturbruch und das Publikum vor der Bühne wechselte fast komplett: The Offspring, Helden meiner Studienzeit, die jetzt – sorry für die Unterstellung – nur noch des Geldes wegen gemeinsam auf Tour gehen. Aber trotzdem wollte ich sie nicht verpassen (auf dem Taubertal hatte ich den zeitgleich auftretenden Olli Schulz präferiert), wurde aber herbe enttäuscht. Eine Interaktion mit dem Publikum gab es quasi überhaupt nicht, unter den eigentlich verstrittenen Bandmitgliedern noch weniger – noch dazu war der Sound mal wieder unerträglich. Wir ergriffen also die Flucht, stellten fest, dass es außerhalb des Festivalgeländes beim Donut-Stand besser klang als drinnen. Ihren Hit “Self Esteem” hörte ich dann noch vom Bett aus.
Den Freitag ließen wir auch wieder ruhiger angehen. Vom Campingplatz aus hörten wir die ganzen zur Zeit angesagten Bands wie Antilopen Gang, SDP, Alligatoah und K.I.Z., bei denen die Stimmung schon so richtig gut war. Und mal wieder war es wahrlich schwache Programmplanung, dass danach auf der Hauptbühne dann Farin Urlaub mit seinem Racing Team auftrat.
Auf dem Festivalgelände drehten wir eine Runde über die Stände neben der Bühne. Ich konnte mich dort sehr gut mit den Leuten von der Aktion “MAKE SOME NOISE” unterhalten. MAKE SOME NOISE engagieren sich im Kampf gegen sexistische und homophobe Tendenzen in der Musik. Die Jungs vom Stand hatten sich übrigens auf dem Festival schon einige braune Statements von Passanten gefallen lassen müssen. Aber sie haben mir erzählt, dass sie es durch angeregte Diskussionen auch geschafft haben, zumindest ein bisschen Überzeugungsarbeit zu leisten.
Wir hatten uns schon den ganzen Tag auf den Auftritt von Against Me! gefreut. Neben dem nicht so dollen Sound im Zelt vermiesten uns ein paar betrunkene, aggressive Zuschauer ordentlich die Stimmung. Aber wir waren ganz erstaunt, dass die Security vor der Bühne doch irgendwann konsequent durchgriff und mehrere Besucher, die sich nicht zu benehmen wussten, komplett rauswarf.
Naja, was soll’s – nicht die Stimmung verderben lassen. Dafür sorgte dann auf der Hauptbühne Jan Delay, der erstaunlich wenig näselnd eine Hammershow liefert mit seiner genialen Band.
Am Samstag machten wir erst mal eine Radtour in Richtung Chiemsee und besuchten Freunde in Prien zum Grillen.
Wir kamen zurück zum Festival, als die Parov Stelar Band spielt. Es war schon viel Publikum da, aber alle warten eigentlich nur auf die Show von Deichkind. Auch wir sind schon ganz gespannt, ob Ferris MC mit Deichkind auch so eine gute Show abliefert wie alleine auf dem Taubertal Festival. Der Auftritt ist perfekt durchgestylt und lässt sich meiner Meinung nach in der Kategorie “ganz nett” verbuchen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich das spontane, anarchistische Element früherer Deichkind-Konzerte vermisste, kam die Instrumentalmusik komplett vom Band. Auch einige der Lieder (z.B. “Bück Dich hoch”) schienen mir komplett Playback zu sein – bei anderen Liedern ist erkennbar, dass zumindest Ferris MC aka Ferris Hilton seine Parts live performt.
Den Sonntag starten wir auf dem Festivalgelände mit dem Auftritt der Blaskapelle Übersee-Feldwies. Die Kapelle lockt auch einige Einheimische an – der Nachbar vom Hof nebenan genießt den Auftritt auf dem Dach seines Gartenhäuschens mit einem zünftigen Glas Weißbier in der Hand.
Achja, fast hätte ich vergessen es zu erwähnen: wir haben die letzten Tage nur gegrillt und können schon keine Würstl mehr sehen. Zeit für eine Pizza! Am frühen Nachmittag radeln wir ins Dorf Übersee in die dortige Pizzeria.
Ich wollte zum Abschluss des Festivals unbedingt noch die Punk-Rock-Band Bad Religion hören, eins meiner Idole aus den 90er Jahren. Bei ihnen merkt man – im Gegensatz zu Offspring -, dass da noch Leute mit Herzblut für ihre Musik auf der Bühne stehen. Sie starteten ein wahres Punk-Feuerwerk: in 75 Minuten spielen sie gefühlte 100 Songs (nach einem Blick auf die Setlist waren es “nur” 26 Lieder) – ein krönender Abschluss.
Insgesamt lässt sich zum Chiemsee Summer Festival 2015 sagen, dass es die Programmplaner einfach allen Geschmäckern recht machen wollten – es gab neben ein paar Reggea-Acts, die aber wohl eher den Wurzeln des Festivals geschuldet waren, noch Bands der Stilrichtungen Rock, HipHop, Pop, Elektro usw. – und wie oben erwähnt gab es das ganze auch bunt durcheinander gemischt.
Es gab Stände von Becks, Gauloises, Schoko-Döner, Barbarenspieß, frische Chips… fast alles, was das Herz begehrt. Aber Moment mal… es gab nirgendwo alkoholfreies Bier zu kaufen. Gut, dass wir noch einen Kasten davon in WHATABUS hatten.
Außerdem war es dem fast duchgängig sehr jungen und teils unkontrolliertem Publikum geschuldet, dass sehr viele Verbote auf dem Festivalgelände galten: keine Glasflaschen (ok, das kann man ja noch nachvollziehen), keine Aggregate, keine Gaskocher usw… achja, vor den Bühnen war Crowdsurfing auch noch explizit verboten und wurde mit dem Ausschluss von den Konzerten geahndet.
Wir haben ein paar Runden über die diversen Campingplätze gedreht. Die Stimmung auf den “normalen” Plätzen konnte uns nicht begeistern – nur Trinkspiele, keine besonders kreativen Camps und sehr junge Kids. Besser war es da schon auf dem Comfort Camping, was wohl daran liegt, dass hier die Leute etwas älter waren und etwas außergewöhnlichere Sachen dabei hatten, wie z.B. eine improvisierte Tischtennisplatte.
In den luxuriösen Almhütten könnten wir es uns auch vorstellen, das Festival zu verbringen. Neben einer Elektroheizung ist der Sound von der Hauptbühne vor den Hütten wohl am besten (aber ob die Tontechniker das so im Sinn hatten?).
Auf dem Wohnmobil-Parkplatz war die Stimmung ebenfalls besser als auf den normalen Plätzen. Uns gefielen dort vor allem ein paar wunderschöne VW-Bullies.
Solltet Ihr denken, dass das Chiemsee Summer Festival direkt am Ufer des Chiemsees ist, habt Ihr Euch leider getäuscht. Es sind noch einige Kilometer bis an den Seestrand und man muss mit überfüllten Shuttle-Bussen dort hin fahren. Am Rand des Festivalgeländes fließt aber die Ache vorbei. Auch dort kann man baden und sich in die Sonne legen – gut bewacht von Security und DLRG.
Und ich habe noch was gelernt bzw. verinnerlichen müssen: ich bin nicht mehr der jüngste mit meinen 40 Lenzen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kids mich auf dem Festival trotz Ramones-T-Shirt (oder gerade deswegen?) für einen Zivilpolizisten gehalten haben… bin ich schon so spießig??? Anscheinend komm ich wohl so rüber… ach Unrecht haben sie nicht, bin ja seit letztem Jahr wieder Camper.
Noch ganz viele Fotos vom Chiemsee Summer 2015 findet Ihr in der Fotogalerie.