3. bis 4. Februar 2018
Tag 59: Samstag, 3. Februar 2018
Schon am frühen Vormittag starten wir nach unserer Ankunft aus Zypern vom Fährhafen in Tasucu in Richtung Mut. Die Landschaft ändert sich von der Küste schlagartig und wir fahren in einen Canyon, den der Fluß Gökso geschaffen hat. Hier fand vor über 800 Jahren der deutsche Kaiser Barbarossa durch Ertrinken den Tod. Ein Denkmal erinnert daran – nicht wirklich sehenswert.
Dafür begeistert uns die Landschaft umso mehr und wir fühlen uns fast wie in den Nationalparks der USA: Kiefern, ausgewaschene Felswände, bizarre Steinformationen… und obwohl es deutlich über 10 Grad hat, sehen wir schon auf wenigen hundert Höhenmetern die ersten Schneereste liegen. Hier war es wohl in den letzten Tagen kälter, als wir frühlingshafte Temperaturen auf Zypern hatten.
Nach der Stadt Mut kommen wir zur Abzweigung, die uns zum frühbyzantinischen Kloster Alahan bringt. In engen Spitzkehren mit tiefen Schlaglöchern geht es noch mal 200 Höhenmeter nach oben, bis wir den Parkplatz auf 1.200 m üNN erreichen. Das Kassenhäuschen ist in der Nebensaison scheinbar nicht besetzt und wir haben die Anlage zunächst ganz für uns.
Die teilweise sehr gut erhaltenen Ruinen der Bauten aus dem 5. Jahrhundert nach Christus begeistern uns. Es sind noch tolle Details mit Ornamenten gut sichtbar.
In der Ruine der Ostkirche fallen dicke Eiszapfen von den Wänden direkt in der Felswand. Wir sind mal wieder absolut begeistert, was für Schätze die Türkei hat! Als wir zum Bus gehen kommt noch eine einheimische Familie zum Wochenendausflug vorbei. Ansonsten waren wir mal wieder die einzigen Besucher – Wahnsinn!
Weiter geht es über einen gut 1.600 m hoch gelegenen Pass, an dessen Straßenrand noch große Schneereste liegen, in eine Hochebende. Die Straßen verlaufen hier zig Kilometer geradeaus wie in den USA und die Ebene wird von schneebedeckten Bergen im Dunst eingerahmt.
Unterwegs werden wir an einer Straßenkontrolle von der Gendarmerie herausgezogen. Ein junger Polizist verlangt die Pässe, ein anderer lässt mich die Hecktüren öffnen und ist vom Campingausbau und dem Werkzeug, das an der Hecktüre hängt, überfordert. Währenddessen wird die Kontrolle von einem anderen Gendarm mit Maschinengewehr im Anschlag und Helm überwacht. Alle drei Jungs sind total nett, wollen meinen Vornamen wissen, wir schütteln uns die Hände und verabschieden uns, nachdem der Vorgesetzte im Mannschaftswagen unsere Papiere geprüft hat. Auch der vermeintlich bedrohlich aussehende mit dem Maschinengewehr kann sich ein Grinsen nicht verkneifen – wir mögen die türkische Polizei 🙂
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Konya, wo Derwische den islamischen Mevleviorden gründeten und in einem beeindruckenden Mausoleum beerdigt sind. Wir parken auf einem Parkplatz und werden gleich von den Parkwächtern gefragt, ob wir auch übernachten wollen. Wir wissen es noch nicht, aber merken, dass sie uns sofort als Wohnmobil erkannt haben.
Zunächst besichtigen wir ein Denkmal mit Museum, das an den Befreiungskrieg Atatürks erinnert. Das Museum zeigt eine liebevolle Ausstellung mit kleinen Puppenhauslandschaften – schön gemacht.
Im Mausoleum müssen wir Plastikhäubchen über unsere Schuhe ziehen und besichtigen mit vielen türkischen Touristen die Gräber. Das erste Mal sehen wir betende Moslems. Gerade das große Grab des Gründers ist ein Anziehungspunkt für alle.
Danach erkunden wir die belebte Innenstadt von Konya und fühlen uns sofort wieder richtig heimisch und wohl in der Türkei.
Bei einem Bäcker kaufen wir pikante Teilchen. Im Basarviertel sind die Läden wieder mal in einzelne Straßenzüge aufgeteilt: es gibt eine Straße mit Goldhändlern, eine mit Kleidung, eine mit Schuhmachern, eine mit Kopftüchern, eine mit Melkmaschinen usw. So sehen wir das oft in der Türkei und für die Orientierung ist das super praktisch.
Wir shoppen ein bisschen und beschließen, ein Stück weiter in Richtung Kappadokien zu fahren.
An der historischen Karawanserei in Sultanhani finden wir den Campingplatz von Tahir, der uns gleich begrüßt. Wir sind die einzigen Gäste, sein Restaurant ist in der Nebensaison nicht geöffnet, aber wir dürfen natürlich gerne bleiben für gerade mal umgerechnet gut 6 Euro pro Nacht. Rund um sein Haus hat man auf der Wiese freie Platzwahl und es gibt Strom, Wasser und Toiletten.
Wir schlendern vorbei an der Karawanserei, die wir uns morgen anschauen wollen, ins Dorfzentrum und essen genial leckere Pide.
Auf dem Campingplatz arbeiten wir ein bisschen im Bus, bevor wir schlafen gehen.
Tag 60: Sonntag, 4. Februar 2018
Die Nacht war super ruhig und wir machen uns nach dem Kaffee auf, um die Karawanserei zu besichtigen. Durch das hohe Tor treten wir ein und bezahlen einen bescheidenen Eintrittspreis.
Der Bau dieses Campingplatzes für Handelskarawanen begeistert uns, auch wenn gerade offensichtlich renoviert wird und alles ein bisschen Baustellencharakter hat.
Kurz nach uns kommen zwei Gruppen mit asiatischen Touristen, also schnell noch ein paar Fotos machen ohne Menschen drauf…
Mittlerweile haben wir ein Foto in einer Broschüre gesehen, dass zur Hochsaison dort wohl die Hölle los ist und im Innenhof Teppiche etc. an die Touristen verkauft werden. Da ist es uns so doch deutlich lieber.
Zurück auf unserem Platz verabschieden wir uns von Tahir, natürlich nicht ohne uns ins Gästebuch einzutragen. Wir sind die ersten Gäste seit über zwei Monaten. Er erzählt uns, dass bis vor zwei Jahren noch sehr viele Camper aus ganz Europa zu ihm kamen, auch viele Deutsche. Leider hat die Terrorangst einen Großteil ferngehalten…
Wir wünschen Tahir viele Gäste in diesem Jahr und versprechen ihm, viel Werbung für die Türkei zu machen und dass die Deutschen hoffentlich wieder kommen. Deutsche Touristen sind übrigens gern gesehen in der Türkei.
Wir fahren weiter über die Hochebene und stoppen in Aksaray an einer Kreuzung in einem Restaurant. Dort läuft gerade der Sonntagsbrunch (tatsächlich einem mitteleuropäischen nicht mal unähnlich), aber wir entscheiden uns für Suppe und Fleisch vom Grill. Während Selena kurz auf der Toilette ist, werde ich von vier Kellnern umzingelt und innerhalb von wenigen Sekunden ist unser Tisch voll mit Essen.
Sehr lecker. Auch das Grillfleisch, das natürlich ein paar Minuten braucht, ist der Hammer!
Unser nächstes Ziel ist das Ihlara-Tal. Wir haben irgendwo Vergleiche mit dem Grand Canyon gelesen. In der Ferne sehen wir gut 3.000 m hohe Berge vulkanischen Ursprungs, natürlich ordentlich mit Schnee bedeckt. Die Hochebene, in die der Fluss sich eingegraben hat, liegt auf deutlich über 1.000 m und die Schneereste der letzten Tage schmelzen bei 14 Grad gerade weg.
Wir halten am Dorf Selime, weil wir die ersten spitzen Berge neben der Steilwand der Schlucht sehen. In diese sind auch größtenteils Höhlen gegraben worden. Wow!
Wir laufen durch das ärmliche Dorf, weil ein Stück weiter auch eine “Kathedrale” sein sollen. Als wir um die Ecke biegen, steht dort sogar ein großes Schild, das auf das UNESCO-Welterbe hinweist. Wir laufen durch die Anlage und klettern immer weiter nach oben in die in den Fels gehauenen Räume. So was haben wir echt noch nie gesehen!
Eigentlich waren wir ja wegen der Natur nach Kappadokien gefahren, von Kultur hatten wir genug – dachten wir – aber das hier ist echt der absolute Hammer! Wir kommen aus dem Staunen nicht raus, was hier geschaffen wurde. Auf Fotos kann man das Ganze eigentlich auch gar nicht erfassen.
Übrigens, für alle Star Wars Fans: Anakin Skywalker hat hier sein “Pod-Rennen” aus Episode 1 bestritten 😉
Wir fahren noch ein paar Kilometer weiter zum eigentlich Ihlara-Canyon. Vom Parkplatz ist es nicht weit zum Eingang, hinter dem es gleich ca. 100 m tief über 400 Stufen senkrecht in die Schlucht runtergeht. Und das ganze Tal ist voll mit in den Fels gebauten Kirchen, angeblich über 100(!) Stück, von denen noch einige zu besichtigen sind.
Wir laufen den Fluss entlang und klettern in die Kirchen, die geöffnet sind. Wunderbare Felsmalereien, meist über 1.000 Jahre alt, sind sogar noch zu sehen.
Ein Stück entfernt laufen wir in einen “Teegarten” mit Picknick-Hütten direkt am Fluss, wo man sich ohne Schuhe auf Kissen hinfläzen kann.
Wir ordern Tee, Kaffee und Gözleme, die leckeren türkischen Pfannkuchen – pikant gefüllt mit Käse, Kartoffeln und Spinat.
Die Landschaft und die Atmosphäre begeistern uns dermaßen, dass wir echt froh sind, wieder in der Türkei zu sein. Zypern war schön, aber die Türkei ist einfach der Oberhammer!
Das nächste Ziel ist Göreme, wo wir wahrscheinlich ein paar Tage bleiben wollen, um die Felsformationen zu besichtigen und auch mal wieder etwas mehr zu radeln. An der Einfahrt in den Ort biegen wir zum Panorama Camping ab, wo uns Ahmed empfängt und den Top-Platz auf der obersten Terrasse gibt (wir sind im Moment die einzigen Gäste). Wie der Name Panorama schon vermuten lässt, haben wir das Tal mit dem Ort Göreme direkt unter uns. Es ist allerdings schon dunkel und wir können nur einige der Felsnadeln erahnen… wir sind gespannt, was uns morgen erwartet!
Liebe Türkei, schön wieder hier zu sein, wir haben dich vermisst.
zur Übersicht: Die WHATABUS-Wintertour 2017/18: Balkan und Kleinasien
Hallo Selena und Marc,
Bin begeistert von eurem Reisbericht. Wir haben ja den ersten Teil letztes Jahr in umgekehrter Reihenfolge gemacht.
Ich mach mir immer beim Lesen parallel eine Karte auf um zu sehen wo ihr gerade seit. Vielleicht könnt ihr sowas direkt in euren Blog mit einbauen, ihr als „Super“-Blogger. Die Bilder sind sehr sehr gut, und das Essen…..
Lgr Joachim+Judith
Hallo Ihr 2,
schön von Euch zu lesen!
Ja, das mit der Karte ist natürlich möglich und wir machen das auch – allerdings ist das immer recht viel Arbeit, so dass wir das immer erst später machen… Asche auf unser Haupt. Aber kommt noch – jetzt haben wir durch diesen Kommentar ja einen Anreiz, das zu beschleunigen 😉
Wir freuen uns schon auf unser Wiedersehen!!!
Viele liebe Grüße aus Kappadokien,
Marc und Selena
Hallo Joachim,
ich habe heute ein bisschen an den Karten gearbeitet. Bei jedem Artikel gibt es jetzt ein Karte mit den beschriebenen Orten.
Und natürlich gibt es auch auf der Übersichtsseite der ganzen Wintertour eine Karte mit den Orten: https://www.whatabus.de/ausfluege-und-touren/die-whatabus-wintertour-2017-18-balkan-kleinasien-tuerkei/
Viel Spaß damit und bis bald!
Marc
Liebe Selena, lieber Marc,
zunächst einmal vielen herzlichen Dank für die interessanten Berichte, tollen Fotos und guten Tipps. Für mich als WoMo-Anfänger ist das ein richtiger Schatz! Ob sich jemand, der reist, für die politischen Verhältnisse in den bereisten Ländern interessiert oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen und dass die landschaftlichen Schönheiten, sowie manche kulturellen Eigenschaften wie Gastfreundschaft und Freundlichkeit alle politischen Regime überdauern ist auch klar. Aber durch ein Land reisen und keinerlei Notiz davon nehmen, dass dieses in Richtung Diktatur umgebaut wird, dass die Opposition unterdrückt und in die Gefängnisse gesperrt wird, dass die Rechte der Frauen eingeschränkt werden, dass die Kurdische Bevölkerung angegriffen wird – das ist mir doch zu naiv ! Hauptsache nette Mahlzeiten auf dem Teller und gut übernachtet??? Ich verabschiede mich von Euch und wende mich lieber Menschen zu, die die Welt mit Licht und Schatten sehen und nicht unter einer rosa Wolke. Grüße von Hördur
Hallo Hördur,
danke für Deinen Kommentar – wir freuen uns wirklich über jedes Feedback, auch wenn es – so wie deins – nicht positiv ist.
Wie Du Dir vorstellen kannst, bist Du nicht der erste, der uns in dieser Art kritisiert.
Gerade aufgrund der Berichterstattung in den deutschen Medien haben wir natürlich einen sehr genauen Blick auf die Situation im Land geworfen und uns auch mit den Menschen dort unterhalten.
Ein Land nur aufgrund dieser Berichterstattung und des negativen Grundtons, der diesem Land deswegen entgegenschlägt, nicht zu bereisen, wäre doch auch keine Lösung. Oder? Sonst könnte man die USA (geführt von einem minderbemittelten Präsidenten, das Volk mit einem Hang zum übermäßigen Waffenbesitz), Polen (auf dem Weg in einen nationalistischen Staat), Ungarn (riegelt bar jeder Menschlichkeit seine Grenzen ab und deportiert Flüchtlinge in Konzentrationslager), Marokko (achtet keine Menschenrechte, gewährt keine Pressefreiheit, besetzt Teile der Westsahara, was zu schlimmen Lebensumständen der Flüchtlinge in den Lagern führt), usw usw. bereisen.
Zu Deinen weiteren Punkten: Der Staat würde nur dann zu einer Diktatur umgebaut werden, wenn es gegen den Willen des Volkes geschehen würde – Erdogan wurde aber gewählt, hat immer noch den Rückhalt der Mehrheit der Türken, die auch für seine momentanen Maßnahmen sind. (Er wird übrigens auch nicht nur von den Ziegenhirten gewählt, wie es in Deutschland oft behauptet wird.) Die Rechte der Frauen werden nicht eingeschränkt – wir haben uns mit vielen Frauen im Land unterhalten, die das sicher nicht bestätigen können. Die Kurden, mit denen wir uns unterhalten haben, haben keine Probleme in der Türkei (die Türkei wurde von Atatürk als ein Staat mit vielen, gleichberechtigten Völkern geschaffen). Der momentane Kampf der türkischen Truppen wird gegen eine Gruppierung geführt, die auch in Deutschland als Terrororganisation eingestuft wird und deren Symbole auf Demonstrationen in Deutschland deswegen von der Polizei einkassiert werden und das Zeigen dieser zur Anzeige führt.
Wir können Dir also nur empfehlen, bevor Du hier zum Rundumschlag ausholst, Dir selber ein Bild von diesem Land (und auch anderen) zu machen…
Aber natürlich haben wir auch kein Problem damit, wenn Du Dich von unserem Magazin verabschiedest und die Welt unter Deiner eigenen düsteren Wolke siehst.
Viele Grüße,
Marc und Selena
ps: Reisen ist tödlich für Vorurteile.